Artikel-Informationen
Medienvielfalt aus der Veranstaltungsreihe "Ross trifft Bär"
Neue Medien schlagen die alten
Podiumsdiskussion über Medienvielfalt und Qualitätsjournalismus
Die digitale Revolution wird den Alltag der Menschen in einem Ausmaß verändern, das sich die wenigstens heute vorstellen können. Darauf hat Ministerpräsident Stephan Weil in einer Podiumsdiskussion über Medienvielfalt und Qualitätsjournalismus hingewiesen, zu der die Landesvertretung Niedersachsen eingeladen hatte. Bezogen auf die Medien nannte Weil drei Trends, die schon heute zu beobachten seien: 1. Geschwindigkeit schlage Gründlichkeit. 2. Breite schlage Tiefgang und schließlich 3. Die neuen Medien schlagen die alten. Als Zeitungsleser wolle und könne er sich auf die Qualität und Zuverlässigkeit der Zeitungsberichterstattung verlassen. Ohne die kritische Begleitung durch die Presse könne er sich die Demokratie in Deutschland nur sehr schwer vorstellen, sagte Weil. Allerdings seien die Zeitungen schwer unter Druck geraten, nicht zuletzt durch das Internet und die Abwanderung vor allem junger Leute in die schier unübersichtlichen Angebote des weltweiten Netzes.
Inwieweit Online-Giganten wie der Suchmaschinenkonzern Google für diese Entwicklung verantwortlich sind, beherrschte einen großen Teil der Diskussion. Was bei der Stichworteingabe von der Suchmaschine Google nicht oder erst auf hinteren Seiten als Fundstelle ausgewiesen wird, finde praktisch nicht statt, kritisierte der Vertreter des Axel-Springer-Verlages, Dr. Dietrich von Klaeden. Tilo Jung, Journalist bei dem neuen Onlineangebot Krautreporter, forderte Google auf, seine Suchalgorithmen offen zu legen. Hendrik Brandt, Chefredakteur der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung, spitzte die Kritik noch mehr zu und sprach von einem „parasitären Geschäftsmodell“, weil Google ja von den Inhalten unter anderem der Zeitungsverlage lebe. Das empörte den Vertreter des Suchmaschinenkonzerns, Dr. Ralf Bremer, der mit dem Einwand konterte, die Zeitungsverlage profitierten von Google, das immerhin pro Monat rund 500 Millionen Klicks auf die Verlagsseiten weiterleite, „ohne dass die Verlage dafür auch nur einen Cent bezahlen!“
Einig waren sich die Kontrahenten jedoch in der Beurteilung des so genannten Leistungsschutzrechts, das den Verlagen eigentlich einen Obolus zugesprochen hatte, wenn die Überschriften und Kurzbeschreibungen ihrer Artikel von Google zitiert würden. Doch Google hatte daraufhin ganz auf diese so genannten Snippets bei den Verlagen verzichtet, die dafür Geld haben wollten, wie der Springer-Konzern. Das Gesetz habe seinen Zweck nicht erfüllt, räumte auch Ministerpräsident Stephan Weil ein. Gleichwohl sei aber ein rechtliches Vorgehen gegen Google geboten, da das Unternehmen faktisch über eine Monopolstellung verfüge. Er wundere sich, dass deutsche Kartellbehörden bei jeder Zeitungsfusion überaus kritisch reagierten, im Falle von Google aber offenbar keine Handlungsnotwendigkeit sehen würden.
Ewald Dobler, der Vorsitzende des Nordwestdeutschen Zeitungsverlegerverbandes, nannte noch zwei weitere Gründe, die es den Zeitungen schwer machten, sich in einem schwindenden Markt zu behaupten: Der ab Januar allgemein geltende gesetzliche Mindestlohn von 8.50 € pro Stunde sei auf die Zeitungsausträger nur schwer zu übertragen, da sie nach Stückzahlen bezahlt würden und das Zeitungsaustragen klassischerweise nur ein Nebenverdienst sei. Und der Ausweg, die Zeitungen nicht mehr als gedrucktes Papier zu verbreiten, sondern per Internet als e-paper, sei solange nur eingeschränkt möglich, wie die entsprechenden Breitbandverbindungen nicht zur Verfügung stünden. Gerade Niedersachsen sei davon in vielen Regionen noch negativ betroffen.
Dennoch zeichne sich die Zeitungslandschaft in Niedersachsen immer noch durch eine auch für deutsche Verhältnisse ungewöhnliche Vielfalt aus. Die 58 Zeitungsverlage produzierten immerhin bis zu 150 verschiedene Zeitungsausgaben. Davon könnten andere Länder nur träumen.
Einen Film finden Sie hier (youtube).