923. Sitzung des Bundesrates am 13. Juni 2014
Aus niedersächsischer Sicht waren folgende Tagesordnungspunkte von besonderer Bedeutung:
TOP 1
Gesetz über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Leistungsverbesserungsgesetz)
BR-Drs. 209/14
TOP 2
Gesetz zur Durchführung der Direktzahlungen an Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe im Rahmen von Stützungsregelungen der Gemeinsamen Agrarpolitik (Direktzahlungen-Durchführungsgesetz - DirektZahlDurchfG)
BR-Drs. 210/14
TOP 3
Gesetz zur Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Sukzessivadoption durch Lebenspartner
BR-Drs. 211/14
TOP 7
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Jugendfreiwilligendienstegesetzes
- Antrag des Landes Niedersachsen -
BR-Drs. 203/14
TOP 21
Verordnung über die Durchführung von Mitteilungen nach §§ 58a und 58b des Arzneimittelgesetzes (Tierarzneimittel-Mitteilungendurchführungsverordnung - TAMMitDurchfV)
BR-Drs. 177/14
TOP 30
Entwurf eines Gesetzes zur Absicherung stabiler und fairer Leistungen für Lebensversicherte (Lebensversicherungsreformgesetz - LVRG)
BR-Drs. 242/14
Zu TOP 1
Gesetz über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Leistungsverbesserungsgesetz)
BR-Drs. 209/14
Wesentlicher Inhalt:
Das sogenannte „Rentenpaket“ umfasst im Wesentlichen folgende Regelungen:
- Rente ab 63
Wer 45 Jahre Beiträge zur Rentenversicherung gezahlt hat, kann ab dem 1. Juli 2014 mit Vollendung des 63. Lebensjahres ohne Abzüge in Rente gehen. Kurzzeitige Unterbrechungen durch Arbeitslosigkeit (Bezug von Arbeitslosengeld I), Zeiten der Pflege, sofern Versicherungspflicht bestand, Erziehung von Kindern bis zum 10. Lebensjahr sowie Schlechtwetter-, Insolvenz- oder Kurzarbeitergeld werden angerechnet. Nicht berücksichtigt werden Zeiten mit Arbeitslosenhilfe oder Arbeitslosengeld II (Hartz IV) - hierbei handelt es sich um Fürsorgeleistungen und nicht wie beim Arbeitslosengeld I um Versicherungsleistungen. Um Frühverrentungen zu vermeiden, werden Zeiten des Arbeitslosengeldbezugs in den letzten zwei Jahren vor der abschlagsfreien Rente ab 63 nicht mehr angerechnet. Ausnahmen: der Bezug von Arbeitslosengeld wurde durch eine Insolvenz oder eine vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers verursacht. Zudem werden freiwillig Versicherte, insbesondere selbstständige Handwerker, die 18 Jahre Pflichtbeiträge gezahlt haben, in die Regelungen der Rente mit 63 einbezogen.
- „Mütterrente“
Die Mütterrente soll die soziale Absicherung von Rentnerinnen, die vor 1992 Kinder bekommen und erzogen haben, verbessern. Sie erhalten einen weiteren Entgeltpunkt für jedes Kind zusätzlich zu ihrem bestehenden Rentenanspruch. Damit will die Mütterrente dafür sorgen, dass Erziehung von Kindern stärker ins Gewicht fällt. Gut 9,5 Mio. Mütter (und ggf. auch Väter) erhalten pro Monat und Kind 28,14 Euro (alte Länder) bzw. 25,74 Euro (neue Länder) zusätzlich.
- Erwerbsminderungsrente
Wer krank ist, nicht mehr arbeiten kann und in Erwerbsminderungsrente gehen muss, erhält aktuell eine Rente, als hätte er noch bis zum vollendeten 60. Lebensjahr weiter mit dem alten Verdienst gearbeitet. Diese sogenannte Zurechnungszeit wird um zwei Jahre von 60 auf 62 Jahre verlängert. Darüber hinaus ist neben der Länge der Zurechnungszeit für die Höhe der Erwerbsminderungsrente auch entscheidend, wie der Verdienst ermittelt wird, der für die Zurechnungszeit fortgeschrieben wird. Statt wie bisher, die Zurechnungszeit auf der Grundlage des Durchschnittsverdienstes während des gesamten Erwerbslebens bis zum Eintritt der Erwerbsminderung zu bewerten, wird künftig geprüft werden, ob die letzten vier Jahre bis zum Eintritt der Erwerbsminderung diese Bewertung negativ beeinflussen. Tun sie dies, etwa, weil die Menschen in dieser Zeit krankheitsbedingt nicht mehr so viel oder gar nicht mehr arbeiten konnten, werden diese vier Jahre künftig aus der Berechnung herausfallen („Günstigerprüfung“).
- Reha-Budget
Wenn die Erwerbsfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen gefährdet oder bereits beeinträchtigt ist, können Versicherte Leistungen zur medizinischen oder beruflichen Rehabilitation erhalten. Für diese Leistungen stehen den Trägern der Rentenversicherung begrenzte Mittel, das sogenannte Reha-Budget, zur Verfügung. Es wird jährlich neu festgesetzt und dabei bislang nur an die voraussichtliche Entwicklung der Bruttolöhne- und Gehälter je Arbeitnehmer angepasst („Reha- Deckel“). Das Reha-Budget wird jetzt an die Bevölkerungsentwicklung angepasst. Rückwirkend zum 1. Januar 2014 wird das Reha-Budget um 100 Mio. sowie im weiteren bis 2017 auf 233 Mio. Euro erhöht. Diese Erhöhung wird nach 2017 schrittweise wieder abgebaut, bis die geburtenstarken Jahrgänge in Rente gegangen sind.
Behandlung in den Ausschüssen:
Der federführende Ausschuss für Arbeit und Sozialpolitik empfahl dem Bundesrat, zu dem Gesetz einen Antrag auf Anrufung des Vermittlungsausschusses nicht zu stellen.
Behandlung im Plenum:
Der Bundesrat hat beschlossen, den Vermittlungsausschusses nicht anzurufen.
Zu TOP 2
Gesetz zur Durchführung der Direktzahlungen an Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe im Rahmen von Stützungsregelungen der Gemeinsamen Agrarpolitik (Direktzahlungen-Durchführungsgesetz - DirektZahlDurchfG)
BR-Drs. 210/14
Wesentlicher Inhalt:
Die Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 regelt - im Rahmen der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik GAP der EU - u.a. die Verteilung der Direktzahlungen an die Landwirte. Sie lässt dabei erhebliche Spielräume zur nationalen Ausgestaltung, die durch das vorliegende Bundesgesetz gefüllt werden. Insbesondere wird darin vorgesehen:
- 4,5 % der jährlichen nationalen Obergrenze der Direktzahlungen werden aus der 1. Säule GAP in die zweite Säule GAP übertragen, d.h. als zusätzliche Mittel für die Förderung der ländlichen Entwicklung bereitgestellt.
- Angleichung der Zahlungsansprüche für die Basisprämie in drei Schritten (2017 - 2019) auf einen bundesweit einheitlichen Wert.
- Einführung einer „Umverteilungsprämie“ für die sog. „ersten Hektare“ in zwei Stufen (volle Höhe für die ersten 30 ha, 60 % für die folgenden 16 ha).
- Einführung einer flächenbezogenen Zahlung für Junglandwirte für max. 90 ha.
- Einführung einer bundesweit einheitlichen flächenbezogenen „Greening“-Prämie, Vorschrift der damit verbundenen Bewirtschaftungsauflagen einschl. eines Umbruchverbots für Dauergrünland in NATURA-2000-Gebieten.
- Regelung, welche Bewirtschaftungsformen auf Ökovorrangflächen möglich bleiben.
Behandlung in den Ausschüssen:
Der federführende Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz sowie der Umweltausschuss hatten - mit Unterstützung Niedersachsens - empfohlen, den Vermittlungsausschuss nicht anzurufen. Der Umweltausschuss empfahl dem Bundesrat eine Entschließung, in der verbliebene Bedenken gegen den Gesetzesentwurf formuliert wurden. Der Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz unterstützte nur Teile dieser Entschließung. Niedersachsen hatte in beiden Ausschüssen den gesamten Entschließungstext unterstützt.
Behandlung im Plenum:
Der Bundesrat hat mit den Stimmen Niedersachsens beschlossen, den Vermittlungsausschuss nicht anzurufen. Der Bundesrat hat zudem Teile der von den Ausschüssen empfohlenen Entschließung angenommen. Niedersachsen hat diese Beschlüsse unterstützt.
Zu TOP 3
Gesetz zur Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Sukzessivadoption durch Lebenspartner
BR-Drs. 211/14
Wesentlicher Inhalt:
Das Bundesverfassungsgericht hat am 19. Februar 2013 entschieden, dass das Verbot der Sukzessivadoption durch Lebenspartner, d. h. das Verbot der Annahme eines bereits adoptierten Kindes durch den Lebenspartner des zunächst Annehmenden, nicht mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Das Gericht hat dem Gesetzgeber aufgegeben, bis zum 30. Juni 2014 eine verfassungsgemäße Regelung zu treffen. Das Gesetz sieht dementsprechend vor, dass ein adoptiertes Kind auch vom Lebenspartner des zunächst Annehmenden nachträglich adoptiert werden darf.
Behandlung in den Ausschüssen:
Der allein beteiligte Rechtsausschuss hatte dem Plenum empfohlen, den Vermittlungsausschuss nicht anzurufen.
Behandlung im Plenum:
Der Bundesrat hat mit den Stimmen Niedersachsens beschlossen, den Vermittlungsausschuss nicht anzurufen. Niedersachsen ist einer Protokollerklärung aus Rheinland-Pfalz beigetreten, mit der man sich für die vollständige Gleichstellung von Lebenspartnerschaften mit der Ehe im Adoptionsrecht ausspricht.
Zu TOP 7
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Jugendfreiwilligendienstegesetzes
- Antrag des Landes Niedersachsen -
BR-Drs. 203/14
Wesentlicher Inhalt:
Das freiwillige wissenschaftliche Jahr (FWJ) wird als weitere Säule der Jugendfreiwilligendienste im Jugendfreiwilligendienstegesetz verankert. Die soziale Absicherung der Freiwilligen im FWJ und deren pädagogische Begleitung erfolgt analog zu den Regelungen für die Freiwilligen im FSJ und FÖJ. Dazu sieht der vorgelegte Gesetzentwurf folgende Rechtsänderungen vor:
- die Erweiterung der thematischen Ausrichtung des Jugendfreiwilligendienstegesetzes um ein freiwilliges wissenschaftliches Jahr (§ 1 Absatz 2 JFDG),
- das Einfügen eines neuen § 4a, mit dem in Anlehnung an die Regelungen der §§ 3 und 4 JFDG das FWJ als eigenständiger Jugendfreiwilligendienst im Jugendfreiwilligendienstegesetz verankert wird, und
- Folgeanpassungen der §§ 5, 6, 9 und 10 JFDG.
Behandlung in den Ausschüssen:
Es haben noch keine Ausschussberatungen stattgefunden.
Behandlung im Plenum:
Ministerin Dr. Heinen-Kljajić hat den Gesetzentwurf im Plenum vorgestellt. Anschließend ist er den Ausschüssen für Frauen und Jugend sowie für Kulturfragen zur Beratung zugewiesen worden.
Zu TOP 21
Verordnung über die Durchführung von Mitteilungen nach §§ 58a und 58b des Arzneimittelgesetzes (Tierarzneimittel-Mitteilungendurchführungsverordnung - TAMMitDurchfV)
BR-Drs. 177/14
Wesentlicher Inhalt:
Diese Verordnung dient der Umsetzung der mit der 13. Änderung des Arzneimittelgesetzes eingeführten Pflicht, der zufolge Nutztierhalter Angaben zum Antibiotikaeinsatz in ihren Tierhaltungen machen müssen. Die Verordnung definiert den Anwendungsbereich der Meldepflicht, indem sie untere Grenzen für die Größe der Tierbestände, die der Meldepflicht unterfallen sollen, definiert.
Behandlung in den Ausschüssen:
Niedersachsen hatte in den Ausschüssen für Agrarpolitik und Verbraucherschutz sowie dem Gesundheitsausschuss einen Antrag eingebracht, der forderte, die Untergrenze der Tierbestandsgrößen erheblich niedriger anzusetzen. Dieser niedersächsische Antrag wurde im Gesundheitsausschuss unterstützt, fand aber im Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz keine Unterstützung. Dementsprechend hat Niedersachsen der so geänderten Verordnung im Gesundheitsausschuss zugestimmt, der Verordnung ohne die gewünschten Änderungen im Agrarausschuss aber nicht zugestimmt.
Behandlung im Plenum:
Die von Niedersachsen gewünschten und unterstützten Maßgaben erhielten im Plenum keine Mehrheit. Der Bundesrat hat ohne die Stimmen Niedersachsens der Verordnung zugestimmt.
Zu TOP 30
Entwurf eines Gesetzes zur Absicherung stabiler und fairer Leistungen für Lebensversicherte (Lebensversicherungsreformgesetz - LVRG)
BR-Drs. 242/14
Wesentlicher Inhalt:
Die Neuregelungen betreffen den Garantiezins der Versicherungen. Dieser soll ab dem 1.1.2015 auf 1,25 % abgesenkt werden. Dafür müssen die Versicherer ebenfalls zum Beginn des kommenden Jahres eine Absenkung in Kauf nehmen. Sie können künftig nur noch in geringerem Maße ihre Abschlusskosten geltend machen. Die Hoffnung ist, dass damit eine Verringerung der Provisionsleistungen einhergeht. Diese sollen daher transparenter gemacht werden. Bei Abschluss eines Versicherungsvertrages soll die Kundschaft künftig einsehen können, welche Beträge der Vermittlungsagentur vom Versicherungsunternehmen erstattet werden. Der Vergleich zu anderen Geldanlagen wird dadurch ebenfalls vereinfacht. Änderungen erfolgen auch bei der Überschussbeteiligung. Einerseits wird eine Kürzung der Ausschüttung von Bewertungsreserven durch Staatsanleihen angestrebt. Im Gegenzug erhöhen sich die Leistungen an die Versicherten durch die Erhöhung bei den auszuzahlenden Risikogewinnen. Kamen der Versichertengemeinschaft bisher nur 75 % der Gewinne aus einer sehr pessimistischen Anwendung von Sterbetafeln zugute, werden dies künftig 90 % sein.
Behandlung in den Ausschüssen:
Der federführende Finanzausschuss empfahl dem Bundesrat, keine Einwendungen zum Gesetzentwurf zu erheben. Gleiches gilt für den Rechts- und den Wirtschaftsausschuss. Der Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz empfahl eine umfassende Stellungnahme. Es werden Zweifel geäußert, dass der Gesetzentwurf tatsächlich zu einem gerechten Interessenausgleich führt.
Behandlung im Plenum:
Der Bundesrat hat - zum Teil mit den Stimmen Niedersachsens - eine Stellungnahme abgegeben.
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Herr Rüdiger Jacobs
Vertretung des Landes Niedersachsen beim Bund
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