900. Sitzung des Bundesrates am 21. September 2012
Aus niedersächsischer Sicht waren folgende Tagesordnungspunkte von besonderer Bedeutung:
TOP 3
Gesetz zur Neuausrichtung der Pflegeversicherung (Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz - PNG)
BR-Drs. 488/12
TOP 4
Gesetz zur Fortentwicklung des Meldewesens (MeldFortG)
BR-Drs. 489/12
TOP 5
Gesetz zur Reform des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes und zur Änderung anderer Vorschriften
BR-Drs. 490/12
TOP 24
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 91b)
BR-Drs. 419/12
TOP 81Erste Verordnung zur Änderung der Fahrzeug-Zulassungsverordnung und anderer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften
BR-Drs. 371/12
Zu TOP 3
Gesetz zur Neuausrichtung der Pflegeversicherung
(Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz - PNG)
BR-Drs. 488/12
Einspruchsgesetz
Wesentlicher Inhalt:
Mit dem Gesetz soll die zweite Reform der Pflegeversicherung seit ihrer Einführung im Jahr 1995 umgesetzt werden. Ziel ist es, den künftigen Herausforderungen an die Weiterentwicklung der pflegerischen Versorgung und Betreuung sowie ihrer Finanzierung Rechnung zu tragen und einen Beitrag zur Steigerung der Attraktivität der pflegerischen Berufe zu leisten. Das Gesetz sieht im Schwerpunkt Änderungen im Elften Buch Sozialgesetzbuch vor, insbesondere
- die Erhöhung der Dienstleistungsorientierung bei Begutachtungsverfahren und bei Entscheidungen über Pflegeversicherungsleistungen
- das Verfahren zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit: Bescheide sollen künftig rasch und unbürokratisch erstellt und der Grundsatz "Rehabilitation vor Pflege" soll gestärkt werden
- die Verpflichtung des Spitzenverbands "Bund der Pflegekassen" bis Ende März 2013 Richtlinien über die Dienstleistungsorientierung der Medizinischen Dienste bei der Begutachtung der Pflegebedürftigkeit sowie zur Zusammenarbeit der Pflegekassen mit anderen unabhängigen Gutachtern im Verfahren zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit zu erlassen
- die Verbesserung der rentenrechtlichen Berücksichtigung von Pflegeleistungen im Fall der gleichzeitigen Pflege mehrerer Pflegebedürftiger
- die Förderung neuer Wohn- und Betreuungsformen als Ergänzung zur stationären Pflege (zum Beispiel ambulant betreute Wohngruppen)
- die gleichzeitige Gewährung von Pflegegeld und Kurzzeit- oder Verhinderungspflege bei gemeinsamer Unterbringung von pflegenden Angehörigen und Pflegebedürftigen in einer Vorsorge- oder Rehabilitationsmaßnahme
- die Flexibilisierung der Leistungsinanspruchnahme sowie die Regelung, dass die Vertragsparteien von Pflegediensten anstelle der aktuell in der Praxis bevorzugten Abrechnung nach Komplexleistungen ab Januar 2013 stets eine vom tatsächlichen Zeitaufwand eines Pflegeeinsatzes abhängige Vergütungsregelung treffen können sollen
- die Verbesserung der medizinischen Versorgung insbesondere in Pflegeheimen und Leistungsverbesserungen für an Demenz erkrankte Menschen.
Im Hinblick auf die Finanzierung kommt es zu einer Anhebung des Beitragssatzes in der sozialen Pflegeversicherung zum 1.1.2013 um 0,1 Beitragspunkte von bisher 1,95 v.H. auf 2,05 v.H. Als Anreiz zu einer zusätzlichen privaten Pflegevorsorge wird eine staatliche Zulagenförderung von 5 Euro monatlich eingeführt (Pflegezusatzversicherung).
Behandlung im Ausschuss:
Der federführende Gesundheitsausschuss empfahl dem Bundesrat in seiner Hauptempfehlung, den Vermittlungsausschuss mit dem Ziel der grundlegenden Überarbeitung des Gesetzes anzurufen. In den Hilfsempfehlungen sollte der Vermittlungsausschuss aus drei Gründen angerufen werden. Einzelgründe:
1. Im Rahmen der Finanzierung der Pflegeversicherung wird die Anhebung des Beitragssatzes in der sozialen Pflegeversicherung und die private Pflegezusatzversicherung abgelehnt.
2. Die Begrenzung der Regelung zur ortsüblichen Arbeitsvergütung für Pflegekräfte, die nicht den Regelungen des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes unterliegen, wird abgelehnt.
3. Im Hinblick auf die Leistungsverbesserungen für demenziell erkrankte Menschen soll es auch möglich sein, Pflegesachleistungen für die Inanspruchnahme anerkannter niedrigschwelliger Betreuungsangebote zu verwenden.
Behandlung im Plenum:
Der Bundesrat hat den Vermittlungsausschuss nicht angerufen. Auch Niedersachsen votierte nicht für die Anrufung des Vermittlungsausschusses. Niedersachsen hat eine Protokollerklärung abgegeben.
Zu TOP 4
Gesetz zur Fortentwicklung des Meldewesens (MeldFortG)
BR-Drs. 489/12
Zustimmungsgesetz
Wesentlicher Inhalt:
Durch Grundgesetzänderung hat der Bund 2006 für das Meldewesen die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz erhalten. Mittels der erweiterten Zuständigkeit beabsichtigt der Bund das Melderechtsrahmengesetz aus dem Jahr 1980 durch ein Bundesmeldegesetz zu ersetzen. Der Gesetzentwurf hat zum Inhalt u. a. eine Stärkung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung bei der Melderegisterauskunft an nicht öffentliche Stellen und die Abschaffung der Meldepflicht in Krankenhäusern und ähnlichen Einrichtungen sowie eine Vereinfachung der Hotelmeldepflicht. Durch die Wiedereinführung der Mitwirkungspflicht des Vermieters sollen sogenannte Scheinanmeldungen erschwert werden, also Anmeldungen für eine bestimmte Wohnung, ohne dass der Vermieter hiervon Kenntnis hat. Der Bundesrat hat im ersten Beratungsdurchgang zu dem Gesetzentwurf 36 Prüfbitten und Änderungsvorschläge beschlossen. Der Deutsche Bundestag hat in seinem Gesetzesbeschluss verschiedene Änderungsempfehlungen des Bundesrates angenommen. Darüber hinaus hat er Änderungen für die Übermittlung von Meldedaten für gewerbliche Zwecke beschlossen, die in der Öffentlichkeit und den Medien heftigen Widerspruch ausgelöst haben. Im Entwurf der Bundesregierung sollte die Weitergabe von Meldedaten für Zwecke der Werbung und des Adresshandels nur zulässig sein, wenn eine Einwilligung des Betroffenen vorliegt. Die Koalitionsfraktionen haben mit ihrer Mehrheit diese Einwilligungs- in eine Widerspruchslösung geändert: grundsätzlich sollen Interessierte einen Anspruch auf Übermittlung von Meldedaten haben, es sei denn der Betroffene habe bei der Meldebehörde der Datenübermittlung ausdrücklich widersprochen. Nach dem Beschluss der Koalitionsfraktionen würde jedoch auch der Widerspruch des Betroffenen nicht immer die Übermittlung von Meldedaten an Interessierte ausschließen: Der an den Meldedaten Interessierte darf nämlich die Daten für Werbung und Adresshandel verwenden, „wenn die Daten ausschließlich zur Bestätigung oder Berichtigung bereits vorhandener Daten verwendet werden“. Der letzte Satz hätte weitreichende Folgen. Jede Firma, die jemals irgendwelche Daten von Personen erfasst hat, könnte diese Daten künftig vom Einwohnermeldeamt „berichtigen oder bestätigen“ lassen. Das Einwohnermeldeamt müsste dem Unternehmen dann bereitwillig frühere Namen übermitteln (beispielsweise bei Heirat), gegebenenfalls Doktorgrad, Ordensname oder Künstlername, Geburtsdatum und Geburtsort sowie bei Geburt im Ausland auch den Staat, das Geschlecht, die Konfession, alle aktuellen Anschriften, gekennzeichnet nach Haupt- und Nebenwohnung, bei Zuzug aus dem Ausland auch die letzte Anschrift im Inland, bei Wegzug in das Ausland auch die Anschrift im Ausland und den Staat, Einzugsdatum und Auszugsdatum, Familienstand, zusätzlich bei Verheirateten Datum, Ort und Staat der Eheschließung sowie die Zahl der minderjährigen Kinder. Dies gilt auch für alle bisherigen Anschriften.
Behandlung in den Ausschüssen:
Der federführende Innenausschuss und der Rechtsausschuss empfahlen, der Bundesrat möge die Einberufung des Vermittlungsausschusses beschließen. Beide Ausschüsse sind der Überzeugung, die vom Bundestag beschlossene Widerspruchsregelung sollte abgelehnt und die im Regierungsentwurf enthaltene Einwilligungslösung wieder in das Gesetz eingefügt werden. In ihrer weiteren Begründung zur Anrufung des Vermittlungsausschusses unterscheiden sich die beiden Ausschüsse - allerdings nicht gravierend. Der federführende Innenausschuss empfahl, den Gesetzestext entsprechend dem Entwurf der Bundesregierung zu beschließen. Danach darf eine einfache Melderegisterauskunft nur erteilt werden, wenn die Auskunft verlangende Person/Stelle erklärt, die Daten nicht für Zwecke der Werbung oder des Adresshandels zu verwenden. Sollen sie jedoch für gewerbliche Zwecke verwendet werden, dann erfolgt die Übermittlung der Daten nur, wenn die betroffene Person zuvor eingewilligt hat. Im ersten Durchgang hatte der Bundesrat diese Regelung in zwei Punkten als unzureichend kritisiert. Im Regierungsentwurf sei die gewerbliche Verwendung von Daten nicht ausgeschlossen und bliebe ohne Sanktionen, falls der Anfragende keine Angaben zum Verwendungszweck macht. Dies gelte auch für den Fall, dass der Anfragende, entgegen seiner Erklärung, die Daten für gewerbliche Zwecke verwende. Der Innenausschuss griff diese Kritikpunkte auf und empfahl entsprechende Ergänzungen des Gesetzes. Dadurch würde sichergestellt, dass die an Meldedaten interessierte Person sich nach Übermittlung der Daten an ihre eigene Erklärung hält und die Daten nicht für Zwecke der Werbung oder des Adresshandels verwendet. Durch die vorgeschlagene Ergänzung würde auch die Rechtsgrundlage geschaffen, um Missbräuche mittels Bußgeld ahnden zu können. Der Rechtsausschuss empfahl in das Gesetz eine Löschvorschrift aufzunehmen, die den Anfrager verpflichtet, die erhaltenen Daten zu löschen, sobald er die Daten entsprechend dem angegebenen Zweck verwendet hat. Als weiteren Grund für die Anrufung des Vermittlungsausschusses nannte der Ausschuss die Verhinderung des so genannten Adresspoolings. Im Auftrag eines Dritten (z.B. Bank) verlangt der Abfrager (z.B. gewerblicher Adresshändler) bei der Meldebehörde eine einfache Meldeauskunft, leitet das Ergebnis an die Bank weiter und speichert die Meldedaten zusätzlich in einer Datei, um die Daten später für eigene Zwecke zu verwenden. Schließlich empfahl der Ausschuss, den Katalog der Ordnungswidrigkeitstatbestände zu erweitern. Der Anfragende solle mit einer Geldbuße belegt werden können, wenn er wahrheitswidrig versichert, der Betroffene habe der Datenübermittlung zum Zweck der Verwendung für Werbung oder Adresshandel zugestimmt oder wenn der Anfragende keine Angaben zum Verwendungszweck macht, die übermittelten Daten aber für Werbung oder Adresshandel verwendet. Auch bei Verstoß gegen das beantragte Verbot der Mehrfachverwendung von Adressdaten (Adresspooling) soll ein Bußgeld verhängt werden können.
Behandlung im Plenum:
Mit den Stimmen Niedersachsens hat der Bundesrat den Vermittlungsausschuss angerufen. Grundlage der Abstimmung war ein Antrag aller Länder, der die unterschiedlichen Ausschussempfehlungen ersetzt hat. Der Kompromiss-Antrag entspricht weitgehend den vom Innenausschuss empfohlenen Änderungen, ergänzt um die weitergehenden Kritikpunkte des Rechtsausschusses. Ein Antrag des Freistaates Sachsen auf Anrufung des Vermittlungsausschusses erhielt eine Mehrheit. Ziel des Antrags ist es, die vom Deutschen Bundestag beschlossene Meldepflicht für Zeit- und Berufssoldaten sowie Bundespolizisten im Vollzugsdienst, sofern sie länger als sechs Monate an einem Standort untergebracht sind, wieder zu streichen. Niedersachsen hat sich zu diesem Antrag enthalten. Für die niedersächsische Landesregierung erläuterte Minister Schünemann die Gründe für die Anrufung des Vermittlungsausschusses. Es sei notwendig eine bundeseinheitliche Regelung zu schaffen, die den Daten- und Verbraucherschutz im Sinne der Bürgerinnen und Bürger umfassend verbessere. Für gewerbliche Zwecke dürfe eine Auskunft aus dem Melderegister nur erfolgen, wenn die betroffene Person zuvor eingewilligt habe. Meldedaten seien keine Handelsware und würden durch die Meldebehörden nicht feil geboten. Auch die vom Deutschen Bundestag in das Gesetz eingefügt Ausnahme, der Werbewirtschaft und den Adresshändlern zum Zweck der Berichtigung bereits vorhandener Daten einen Anspruch auf Meldedaten einzuräumen, sei „der falsche Weg“. Minister Schünemann betonte die besondere Dienstleisterfunktion der Meldebehörden gegenüber den Bürgern. Durch das Gesetz zur Fortentwicklung des Meldewesens erhielten die Behörden die Möglichkeit ihre Servicequalität erheblich zu steigern. Vorhandene Meldedaten könnten noch effizienter zur Erledigung öffentlicher Aufgaben herangezogen werden und Verwaltungsabläufe würden deutlich vereinfacht. Der Bundesrat setze sich für konsequenten Bürokratieabbau und mehr Bürgerfreundlichkeit ein. Zur Initiative Sachsens erklärte der Minister, diese werde von Niedersachsen abgelehnt, da Berufs- und Zeitsoldaten nach mehr als sechs Monaten Dienst in ihrer Standortgemeinde ihren Lebensmittelpunkt an diesem Ort hätten.
Zu TOP 5
Gesetz zur Reform des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes und zur Änderung anderer Vorschriften
BR-Drs. 490/12
Einspruchsgesetz
Wesentlicher Inhalt:
Das Gesetz zur Reform des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) sieht vor, das geltende KapMuG inhaltlich zwar beizubehalten, es insgesamt aber neu zu fassen. Die Reform steht unter Zeitdruck, da das geltende Gesetz bis zum 31.10.2012 befristet ist. Gegenüber dem bisherigen Recht wird der Anwendungsbereich erweitert. Einbezogen werden sollen alle Fälle, in denen ein Schadensersatzanspruch entweder auf die Verwendung einer falschen oder irreführenden öffentlichen Kapitalmarktinformation oder auf die Unterlassung der gebotenen Aufklärung darüber, dass eine öffentliche Kapitalmarktinformation falsch oder irreführend ist, gestützt wird. Damit können künftig auch Fälle der Haftung wegen fehlerhafter Anlagevermittlung oder -beratung, in der etwa ein Prospekt verwendet wurde, Gegenstand eines Musterverfahrens sein. In seiner 187. Sitzung am 28. Juni 2012 hat der Deutsche Bundestag das Gesetz in 2. und 3. Lesung mit zahlreichen Änderungen angenommen:
- Einführung der Möglichkeit einer formlosen Anspruchsanmeldung im Musterverfahren,
- Verlängerung der Entscheidungsfrist in § 3 KapMuG-E von drei auf sechs Monate,
- Beschränkung des persönlichen Anwendungsbereichs der Wirkung des Musterbescheids,
- Prolongation des Inkrafttretenszeitpunktes der Regelungen über das neue elektronische Benachrichtigungssystem,
- Einführung eines gesetzlichen Mindestquorums für Mustervergleiche zur Verhinderung massenhafter opt-outs,
- Korrektur der Änderungsbefehle beim Übergang vom alten zum neuen KapMuG,
- Befristung auch des neuen Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes bis zum 31.10.2020.
Damit hat der Deutsche Bundestag Vorschläge des Bundesrates aus dem ersten Durchgang (Bundesratssitzung am 10.02.2012) zu einem Teil aufgegriffen.
Behandlung im Ausschuss:
Der federführende Rechtsausschuss hatte mit niedersächsischer Unterstützung empfohlen, den Vermittlungsausschuss aus zwei Gründen anzurufen:
1. weil die vorgesehene Verschärfung der Voraussetzungen für eine Verfahrensabtrennung zurück genommen werden sollte (§145 ZPO) und
2. weil erreicht werden sollte, dass die besondere Gebühr zugunsten des Prozessbevollmächtigten des Musterklägers nicht gegen die Landeskasse geltend gemacht wird.
Behandlung im Plenum:
Ein Verfahren im Vermittlungsausschuss hätte ein Inkrafttreten des Gesetzes bis zum 31.10.2012 nicht erlaubt. Um eine „KapMuG-lose Zeit“ zu verhindern, hat die Bundesregierung eine Protokollerklärung abgegeben, in der sie ihre Absicht erklärt, bei beiden Anrufungsgründen den Ländern entgegen kommen zu wollen: Für die Musterklägervertretergebühr solle im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens für ein 2. Kostenmodernisierungsverfahren nach einer für die Länder günstigeren Regelung gesucht werden. Und für eine erneute Änderung des § 145 ZPO wolle sie sich gegenüber dem Deutschen Bundestag im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zur Einführung einer Rechtsbehelfsbelehrung im Zivilprozess einsetzen. Der Bundesrat hat darauf hin einstimmig beschlossen, den Vermittlungsausschuss nicht anzurufen.
Zu TOP 24
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 91b)
BR-Drs. 419/12
Zustimmungsgesetz
Wesentlicher Inhalt:
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung soll die verfassungsrechtliche Möglichkeit für die Kooperation von Bund und Ländern im Wissenschaftsbereich erweitern. Durch eine Ergänzung der Nummer 2 des Artikels 91b Absatz 1 Satz 1 GG, nämlich durch die Voranstellung der Wörter "Einrichtungen und", soll dem Bund die Möglichkeit eröffnet werden, nicht nur wie bisher "Vorhaben der Wissenschaft und Forschung", sondern auch „Einrichtungen an Hochschulen“ langfristig zu fördern. Ziel der Verfassungsänderung ist es, die Exzellenz an Hochschulen zu stärken und auszubauen, damit Standorte in Deutschland ihr ganzes Potential entfalten, nationale und internationale Strahlkraft entwickeln und erfolgreich am Wettbewerb teilnehmen können. Voraussetzung für die Förderung durch den Bund ist nach der Gesetzesbegründung, dass die jeweiligen Einrichtungen der Wissenschaft und Forschung an Hochschulen von "überregionaler Bedeutung" sind. Ausgenommen von der Bundesförderung soll der Hochschulbau bleiben, um an den Ergebnissen der Föderalismusreform I von 2006 festzuhalten. Mit der Verfassungsänderung sind keine unmittelbaren finanziellen Auswirkungen für die Länder verbunden.
Behandlung in den Ausschüssen:
Der federführende Rechtsausschuss und der Ausschuss für Kulturfragen haben gegen das Votum Niedersachsens eine ablehnende Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf beschlossen, mit dem Ziel, dass die Bundesregierung mit den Ländern Verhandlungen über eine noch weitergehende Regelung führen möge, insbesondere über die Finanzausstattung der Länder zur Förderung des gesamten Bildungssystems. Der Antrag wurde nur von den A-Ländern unterstützt, wobei sich Baden-Württemberg im Rechtsausschuss und Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt im Ausschuss für Kulturfragen enthalten haben. Ein Antrag Niedersachsens, der in beiden Ausschüssen gestellt werden sollte, um bei der Grundgesetzänderung nicht nur Einrichtungen an, sondern auch in Hochschulen zu erfassen, kam jeweils nicht zur Abstimmung. Damit sollte deutlich werden, dass nicht nur Einrichtungen, die den Hochschulen angegliedert sind, sondern auch in die Hochschulstruktur integrierte Einrichtungen dem „Einrichtungsbegriff“ unterfallen. Auch der Finanzausschuss zielte mit seinem angenommenen, ablehnenden Antrag Berlin, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz darauf ab, Verhandlungen der Länder mit dem Bund über eine noch weitergehende Regelung zu führen. Die Empfehlung geht er aber über die im Rechtsausschuss und im Ausschuss für Kulturfragen gestellten Anträge hinaus und fordert vor dem Hintergrund der Prioritätensetzung zu Gunsten von Bildung, dass der Bund die Länderhaushalte - vorzugsweise durch einen höheren Anteil an Umsatzsteuermitteln - unterstützen solle. Die Notwendigkeit für die Finanzierungsherausforderungen liege vor allem im Bereich der frühkindlichen Bildung und Erziehung. Investitionen in diesem Bereich seien unter gesamtwirtschaftlichen Gesichtspunkten besonders vorteilhaft. Der Antrag wurde auch hier nur von A-Ländern unterstützt, wobei Baden-Württemberg wiederum teilweise ausscherte. Der Innenausschuss hatte mit niedersächsischer Unterstützung empfohlen, keine Einwendungen zu erheben.
Behandlung im Plenum:
Gegen die Stimmen Niedersachsens hat der Bundesrat eine kritische Stellungnahme beschlossen.
Zu TOP 81
Erste Verordnung zur Änderung der Fahrzeug-Zulassungsverordnung und anderer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften
BR-Drs. 371/12
Wesentlicher Inhalt:
Mit der Änderungsverordnung wird im Wesentlichen das Verfahren zur Festlegung und Aufhebung von Unterscheidungszeichen neu geregelt. Die Fahrzeug-Zulassungsverordnung bestimmt, dass Autokennzeichen aus einem Unterscheidungszeichen (Buchstabenkombination) für den Verwaltungsbezirk, meist Städte und Landkreise, und einer Erkennungsnummer (Buchstaben- und Zahlengruppe) bestehen. Bisher galt: Ein Verwaltungsbezirk - ein Unterscheidungszeichen. Wenn sich, bedingt durch Gebiets- und Verwaltungsreformen, Zuschnitte und Namen von Verwaltungsbezirken geändert hatten und neue Buchstabenkombinationen eingeführt wurden, durften die bisherigen Unterscheidungszeichen zwar an den Fahrzeugen, für die sie zugeteilt waren weiter geführt werden, aber keinen neuen Fahrzeugen mehr zugeteilt werden. Entsprechend einer Forderung der Verkehrsministerkonferenz können künftig auch auslaufende bzw. bereits ausgelaufene Unterscheidungszeichen (sog. Altkennzeichen) wieder zugeteilt werden. Die Länder entscheiden darüber, ob sie von dieser Möglichkeit Gebrauch machen wollen. Für einen Verwaltungsbezirk kann dann auch mehr als ein Unterscheidungszeichen bestimmt werden. Die Festlegung erfolgt auf Antrag der Länder durch das Bundesverkehrsministerium und wird im Bundesanzeiger veröffentlicht, um eine flexible Handhabung der unterschiedlichen regionalen Wünsche zu ermöglichen. Darüber hinausgehend eröffnete der Verordnungsentwurf des Bundesverkehrsministeriums auch die Möglichkeit zur Einführung neuer Unterscheidungszeichen.
Behandlung in den Ausschüssen:
Der Innenausschuss empfahl dem Bundesrat entsprechend einem Antrag Niedersachsens, die Streichung der Möglichkeit zur Einführung neuer Unterscheidungskennzeichen zu fordern. Ohne Rücksicht auf historische Entwicklungen wäre dadurch eine Vielzahl von neuen zusätzlichen Unterscheidungszeichen zulässig geworden u.a. auch in Kommunen, die in der Vergangenheit nie ein eigenes Autokennzeichen geführt haben. Der Verkehrsausschuss und der Verbraucherausschuss empfahlen, der Verordnung nach Maßgabe redaktioneller und klarstellender Änderungen zuzustimmen.
Behandlung im Plenum:
Der Bundesrat hat mit den Stimmen Niedersachsens der Verordnung mit Maßgaben, darunter der von Niedersachsen empfohlenen Beschränkung auf die Wiederzulassung der Altkennzeichen, zugestimmt.
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