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896. Sitzung des Bundesrates am 11. Mai 2012

Aus niedersächsischer Sicht waren folgende Tagesordnungspunkte von besonderer Bedeutung:


TOP 1
Gesetz zum Abbau der kalten Progression
BR-Drs. 201/12
in Verbindung mit
TOP 20
Entschließung des Bundesrates zur Erhöhung des Spitzensteuersatzes bei der Einkommensteuer von 42 Prozent auf 49 Prozent
- Antrag der Länder Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Brandenburg, Bremen, Nordrhein-Westfalen, Hamburg -
BR-Drs. 64/12

TOP 6
Gesetz zur Änderung des Rechtsrahmens für Strom aus solarer Strahlungsenergie und zu weiteren Änderungen im Recht der erneuerbaren Energien
BR-Drs. 204/12

TOP 22
Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 2. März 2012 über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion
BR-Drs. 130/12


TOP 23a)
Entwurf eines Gesetzes zu dem Beschluss des Europäischen Rates vom 25. März 2011 zur Änderung des Artikels 136 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union hinsichtlich eines Stabilitätsmechanismus für die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist
BR-Drs. 164/12
in Verbinddung mit
TOP 23b)
Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 2. Februar 2012 zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus
BR-Drs. 165/12
in Verbindung mit
TOP 23c)
Entwurf eines Gesetzes zur finanziellen Beteiligung am Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM-Finanzierungsgesetz - ESMFinG)
BR-Drs. 166/12

TOP 28
Entwurf eines Gesetzes zur Neuausrichtung der Pflegeversicherung
(Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz - PNG)
BR-Drs. 170/12

TOP 58
Dritte Verordnung zur Änderung der Schwerbehindertenausweisverordnung
BR-Drs. 184/12
in Verbindung mit
TOP 15
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Neunten Buches Sozialgesetzbuch
- Antrag der Länder Niedersachsen, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt -
BR-Drs. 217/12

TOP 61
Erste Verordnung zur Änderung der Approbationsordnung für Ärzte
BR-Drs. 238/12

Zu TOP 1
Gesetz zum Abbau der kalten Progression
BR-Drs. 201/12
in Verbindung mit
Zu TOP 20
Entschließung des Bundesrates zur Erhöhung des Spitzensteuersatzes bei der Einkommensteuer von 42 Prozent auf 49 Prozent
- Antrag der Länder Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Brandenburg, Bremen, Nordrhein-Westfalen, Hamburg -
BR-Drs. 64/12

Wesentlicher Inhalt:
Das Gesetz zum Abbau der Kalten Progression (TOP 1) soll verhindern, dass Lohnerhöhungen, die lediglich dem Ausgleich des inflationsbedingten Preisanstiegs dienen, infolge der progressiven Ausgestaltung des Steuertarifs zu einem höheren Durchschnittssteuersatz bei der Einkommensteuer führen. Zur Vermeidung dieses Effekts, dem keine höhere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zugrunde liegt, sieht das Gesetz folgendes vor:

  • Anhebung des Grundfreibetrags bis 2014 in zwei Stufen von derzeit 8.004 Euro um insgesamt 350 Euro bzw. 4,4 Prozent auf 8.354 Euro. Die Erhöhung des Grundfreibetrags soll sicherstellen, dass die verfassungsrechtlich gebotene Steuerfreistellung des Existenzminimums gewährleistet wird.
  • Übertragung der prozentualen Anhebung des Grundfreibetrages von 4,4 Prozent zum 1. Januar 2014 auf den Tarifverlauf insgesamt mit Ausnahme des Eingangseinkommens für die sogenannte „Reichensteuer“. Ohne diese Anpassung würde die Anhebung des Grundfreibetrags ungewollt den Tarif stauchen und so die Progression innerhalb der ersten Progressionszone erhöhen.

Die Wirkung der kalten Progression im Tarifverlauf soll ab der 18. Legislaturperiode regelmäßig im Zweijahresrhythmus überprüft werden. Hierzu soll die Bundesregierung zusammen mit dem Existenzminimumbericht einen Steuerprogressionsbericht erstellen. Das Gesetz führt zu Steuermindereinnahmen in 2013 von rund 2 Mrd. Euro und ab 2014 in Höhe von etwa jährlich 6,1 Mrd. Euro. Der Bund trägt einmalig die Steuermindereinnahmen allein, die durch die vorgesehene prozentuale Anpassung des Tarifverlaufs entstehen. Zur Kompensation erhalten die Länder hierzu im Rahmen der Umsatzsteuerverteilung in Form eines Festbetrages 379 Mio. Euro für 2013 und ab 2014 jährlich 1,2 Mrd. Euro. Für die Länder und Gemeinden verbleiben nach Kompensation dennoch Mindereinnahmen von zunächst 1,9 Mrd. Euro in 2014, die auf fast 2,4 Mrd. Euro bis 2017 ansteigen. Mit der Entschließung (TOP 20) begehren die Antrag stellenden Länder eine Anhebung des Spitzensteuersatzes bei der Einkommensteuer von derzeit 42 Prozent auf 49 Prozent ab einem zu versteuernden Einkommen von 100.000 Euro. Dies soll gewährleisten, dass Bund und Länder auch zukünftig die notwendigen staatlichen Leistungen erbringen können und gleichzeitig die Konsolidierung der Haushalte nach Maßgabe der Schuldenbremse vorangetrieben werden kann. Angesichts der durch die Finanzkrise verursachten strukturellen Defizite der Haushalte öffentlicher Gebietskörperschaften lasse sich dieser Konflikt nur durch eine Steigerung der Einnahmebasis lösen. Bei einer entsprechenden Anhebung des Spitzensteuersatzes werden Steuermehreinnahmen von jährlich mindestens 5 Mrd. Euroerwartet.

Behandlung in den Ausschüssen:
Der federführende Finanzausschuss empfahl dem Bundesrat gegen die Stimme Niedersachsens, dem Gesetz zum Abbau der kalten Progression nicht zuzustimmen. Zur Erhöhung des Spitzensteuersatzes empfahl der federführende Finanzausschuss dem Bundesrat gegen die Stimme Niedersachsens, die Entschließung zu fassen. Der Wirtschaftsausschuss empfahl mit der Stimme Niedersachsens, die Entschließung nicht zu fassen.

Behandlung im Plenum:
Der Bundesrat hat dem Gesetz zum Abbau der kalten Progression nicht zugestimmt. Er fasste auch nicht die Entschließung zur Erhöhung des Spitzensteuersatzes. Niedersachsen stimmte dem Gesetz zu und votierte gegen das Fassen der Entschließung. Minister Bode ergriff im Plenum das Wort. In seiner Rede warb er für eine Zustimmung zum Gesetz. Er betonte, dass vor allem kleinere und mittlere Einkommensbezieher von den Wirkungen der kalten Progression nachteilig betroffen seien. Daher sei es ein Ausdruck von Steuergerechtigkeit, höhere Belastungen der Arbeitseinkommen durch Lohnerhöhungen, die dem Inflationsausgleich dienen, zu vermeiden, denn der Staat sollte nicht an der Inflation verdienen. Einer Konsolidierung der öffentlichen Haushalte durch Steuererhöhungen erteilte er eine Absage. Ein Abbau der Staatsverschuldung werde nur über Wachstum und nicht durch eine höhere Besteuerung erreicht.

Zu TOP 6
Gesetz zur Änderung des Rechtsrahmens für Strom aus solarer Strahlungsenergie und zu weiteren Änderungen im Recht der erneuerbaren Energien
BR-Drs. 204/12

Wesentlicher Inhalt:
Der Gesetzentwurf beinhaltet im Wesentlichen Neuregelungen zur Vergütungsanpassung bei Photovoltaikanlagen (PV-Anlagen): Rückwirkend zum 01.04.2012 sollen die Vergütungssätze bei neuen Anlagen deutlich abgesenkt werden. Damit soll eine Anpassung der Vergütungssätze an die stark gesunkenen Marktpreise für Module erfolgen, eine bestehende Überförderung abgebaut und der weitere Zubau begrenzt werden. Außerdem soll das Datum der technischen Inbetriebnahme maßgeblich für den Fördersatz sein. Ferner sollen mit einer monatlichen Vergütungsdegression ab dem 01.05.2012 die Vergütungssätze gegenüber dem jeweiligen Vormonat um 1 % abgesenkt werden. Zudem soll die Vergütung je nach Abweichung des tatsächlichen Zubaus vom festgelegten Zubaukorridor angepasst werden. Der Zubaukorridor selbst wird für 2012 und 2013 von 2.500 bis 3.500 MW beibehalten werden und ab 2014 jährlich um 400 MW absinken. Durch den vorgesehenen gesetzlichen Automatismus kann die monatliche Degression jeweils für drei Monate in Folge angehoben oder abgesenkt werden, wenn der Zubaukorridor über- oder unterschritten wird (Fortführung und Straffung des sog. atmenden Deckels). Ein Marktintegrationsmodell sieht vor, dass künftig Anlagen in der Größe bis 1 MW nur noch für einen bestimmten Prozentsatz (80 % bzw. 90 %) der gesamten erzeugten Strommenge die feste EEG-Einspeisevergütung erhalten. Die unvergütete Strommenge kann selbst verbraucht, direkt vermarktet oder dem Netzbetreiber zum Verkauf an der Börse angedient werden. Dieses Modell soll ab dem 01.01.2013 für alle PV-Anlagen gelten, die ab dem Inkrafttreten des Gesetzes in Betrieb gehen. Der bisherige Eigenverbrauchsbonus entfällt. Ältere PV-Anlagen sollen technische Anforderungen zu erfüllen haben, um die Systemstabilität im Falle der automatischen Abschaltung von Anlagen bei Über- oder Unterfrequenz zu gewährleisten ( 50,2 Hertz Problematik).

Behandlung in den Ausschüssen:
Vom Umweltausschuss wurde die Anrufung des Vermittlungsausschusses mit dem Ziel der grundlegenden Überarbeitung gegen die Stimme Niedersachsens vorgeschlagen. Vom Wirtschaftsausschuss wurde die Anrufung des Vermittlungsausschusses mit dem Ziel, das Inkrafttreten vom 01.04.2012 auf den 01.06.2012 zu verschieben, gegen die Stimme Niedersachsens vorgeschlagen.

Behandlung im Plenum:
Der Bundesrat hat gegen die Stimmen Niedersachsens beschlossen, den Vermittlungsausschuss zur grundlegenden Überarbeitung des Gesetzes anzurufen.

Zu TOP 22
Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 2. März 2012 über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion
BR-Drs. 130/12

Wesentlicher Inhalt:
Mit diesem Gesetz soll die nach Artikel 23 Absatz 1 Satz 3 GG erforderliche Zustimmung von Bundestag und Bundesrat zu dem von den Staats- und Regierungschefs der EU beschlossenen Vertrag („Fiskalpakt“) erwirkt werden. Die Inhalte dieses Vertrags wurden auf dem Gipfel am 9. Dezember 2011 ausgehandelt, der Vertrag selber auf dem Gipfel am 2. März 2012 unterzeichnet. Der Wortlaut des Vertrags ist dem Gesetzentwurf angelegt. Die Form eines völkerrechtlichen Vertrages von 25 EU-Mitgliedstaaten musste von den Staats- und Regierungschefs gewählt werden, da die eigentlich intendierte Änderung des EU-Vertrages wegen der Verweigerung des Vereinigten Königreichs nicht zustande kam. Die Zustimmung von Bundesrat und Bundestag erfordert eine qualifizierte (zwei Drittel-) Mehrheit. Der Vertrag soll die Haushaltspolitik der Mitgliedstaaten weiter disziplinieren und damit helfen, zukünftige Schuldenkrisen der EU-Staaten zu verhindern. Er soll also die Wirtschafts- und Währungsunion stärken, gesunde öffentliche Finanzen erreichen und eine verstärkte wirtschaftspolitische Koordinierung und Steuerung ermöglichen. Im Einzelnen enthält der Vertrag die folgenden Elemente:

  • Den eigentlichen fiskalpolitischen Pakt (Artikel 3 - 8) der im wesentlichen eine innerstaatliche Schuldenbremse einführt, diese definiert und vorgibt, wie sie zu erreichen ist;
  • Eine Absprache zur wirtschaftspolitischen Koordinierung und Konvergenz (Artikel 9 - 11), die die Möglichkeiten des Artikels 136 AEUV und das Instrument der Verstärkten Zusammenarbeit (Artikel 20 EUV, Artikel 326 und 334 AEUV) nutzen soll und die Koordinierung wirtschaftspolitischer Reformen vorsieht.
  • Eine Absprache zur Steuerung des Euro-Währungsgebietes(Artikel 12 + 13), die Modalitäten informeller Euro-Gipfel festlegt und, zur Diskussion der Haushaltspolitik, eine Konferenz von Vertretern des Europäischen Parlaments und der nationalen Parlamente einsetzt.

Behandlung in den Ausschüssen:
Im Finanzausschuss wurde eine aus neun Ziffern bestehende Stellungnahme angenommen, die überwiegend auf einen von Hessen und Rheinland-Pfalz gemeinsam eingebrachten und fast einstimmig angenommenen Antrag zurückgeht und durch eine Ziffer der A-Seite ergänzt wurde. Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union schloss sich lediglich den auf den Antrag aus Hessen/Rheinland-Pfalz zurückgehenden Ziffern des Finanzausschusses an. Die Ausschüsse für Recht und für Wirtschaft votieren mit „keine Einwendung“.

Behandlung im Plenum:
Der Bundesrat nahm eine Stellungnahme an, die dem von allen Ländern gemeinsam im Finanzausschuss und im Ausschuss für Fragen der Europäischen Union getragenen Ziffern entspricht. Die A-Länder-Ziffer (Ziffer 2) aus der Stellungnahme des Finanzausschusses sowie ein Plenarantrag der Länder Bremen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz fanden keine Mehrheit. Niedersachsen hatte für die von allen Ländern gemeinsam getragenen Ziffern gestimmt, und gegen die Ziffer der A-Länder und den Plenarantrag der Länder Bremen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. Ministerpräsident McAllister bezeichnete in seiner Rede den Fiskalpakt und den Vertrag über den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM), die eng miteinander verknüpft seien, als sinnvoll und richtig, um die Staatsschuldenkrise in Europa zu überwinden und künftigen besser vorzubeugen. Darüber hinaus müsse das Vertrauen der Menschen in die europäische Idee wiederhergestellt werden. Der Fiskalvertrag werde durch die europaweite Einführung einer Schuldenbremse vor allem die Haushaltsdisziplin in den einzelnen Mitgliedstaaten verbessern. Bei den Einzelheiten des Fiskalvertrages und des ESM-Pakets gebe es aber aus Sicht der Länder noch einige Punkte, die mit der Bundesregierung intensiv beraten werden müssten. Die Haushaltsautonomie der Länder und das Budgetrecht der Landesparlamente müsse gewahrt bleiben. Die Länder bräuchten Rechtssicherheit im Hinblick auf mögliche Sanktionen und die innerstaatliche Verteilung der Haftung. Die Länder aber sollten ihren Beitrag leisten, dass der zwischen Bundestag und Bundesrat vereinbarte Zeitplan zur Umsetzung des ESM-Paketes und des Fiskalvertrags eingehalten wird. Deutschland sollte bis zur Sommerpause zustimmen, um seiner Vorbildfunktion innerhalb Europas gerecht zu werden.

Zu TOP 23a)
Entwurf eines Gesetzes zu dem Beschluss des Europäischen Rates vom 25. März 2011 zur Änderung des Artikels 136 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union hinsichtlich eines Stabilitätsmechanismus für die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist
BR-Drs. 164/12
in Verbinddung mit
Zu TOP 23b)
Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 2. Februar 2012 zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus
BR-Drs. 165/12
in Verbindung mit
Zu TOP 23c)
Entwurf eines Gesetzes zur finanziellen Beteiligung am Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM-Finanzierungsgesetz - ESMFinG)
BR-Drs. 166/12

Wesentlicher Inhalt:
Der Europäische Rat hat am 25. März 2011 im vereinfachten Vertragsverfahren eine Änderung von Artikel 136 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) beschlossen. Danach können die Mitgliedsstaaten (MS), deren Währung der Euro ist, einen Stabilitätsmechanismus einrichten, der aktiviert wird, wenn dies unabdingbar ist, um die Stabilität des Euro-Währungsgebietes insgesamt zu wahren. Die Gewährung aller erforderlichen Finanzhilfen im Rahmen des Mechanismus soll strengen Auflagen unterliegen. Mit den Gesetzentwürfen sollen die innerstaatlichen Voraussetzungen geschaffen werden, um den dauerhaften Europäischen Stabilisierungsmechanismus (ESM) einzurichten. Als integraler Bestandteil des Maßnahmenpakets zur Stabilisierung der Eurozone soll er als dauerhaftes Krisenbewältigungsinstrument den temporären Rettungsschirm, die European Financial Stability Facility (EFSF) ablösen und zum 1. Juli 2012 in Kraft treten. Der ESM basiert auf dem am 2. Februar 2012 unterzeichneten zwischenstaatlichen Vertrag der Euroländer und soll mit Inkrafttreten den Staaten des Euro-Währungsgebiets Stabilitätshilfen durch einstimmigen Beschluss zur Verfügung stellen können. Voraussetzungen für die Gewährung von Finanzhilfen sind:

  • Gefährdung der Stabilität der Eurozone insgesamt und
  • Erfüllung bestimmter Voraussetzungen des betroffenen Staates wie:
  • Ratifizierung des Fiskalvertrages,
  • Erstellung eines wirtschaftlichen Reform- und Anpassungsprogramms,
  • positive Schuldentragfähigkeitsanalyse.

Außerdem ist der ESM berechtigt, Staatsanleihen am Primärmarkt und - in absoluten Ausnahmefällen - auch am Sekundärmarkt zu kaufen. Ist die Notlage eines Staates durch dessen angeschlagene Finanzinstitute verursacht, so können Darlehen auch zur Rekapitalisierung dieser Banken verwendet werden. Der ESM wird mit einem Stammkapital von 700 Mrd. Euro ausgestattet, wovon 80 Mrd. aus eingezahltem Kapital und 620 Mrd. Euro an abrufbarem Kapital vorgesehen sind. Die Haftung eines ESM Mitglieds beschränkt sich auf den Anteil am Stammkapital, kein Staat haftet für die Verbindlichkeiten des ESM. Der Anteil am Stammkapital orientiert sich am Schlüssel für die Zeichnung von Kapital an der Europäischen Zentralbank (EZB), der für Deutschland rund 27 Prozent beträgt. Dementsprechend beläuft sich die deutsche Gesamtbeteiligung auf etwa 190 Mrd. Euro, bestehend aus rund 21,72 Mrd. Euro einzuzahlendem und 168,3 Mrd. Euro abrufbarem Kapital. In diesem Jahr sollen die beiden ersten der insgesamt fünf Teilbeträge des einzuzahlenden Kapitals geleistet werden. Für Deutschland sind dies rund 8,7 Mrd. Euro, die über einen Nachtragshaushalt 2012 bereitgestellt werden. Die Ende März 2012 von den Regierungschefs der Euroländer beschlossene Aufstockung des Kreditvergabevolumens des ESM auf 800 Mrd. Euro erfolgt durch Rückgriff auf die nicht verbrauchten Mittel der EFSF und erhöht nicht den Finanzierungsanteil am ESM.

Behandlung in den Ausschüssen:
Der federführende Finanzausschuss und der Ausschuss für Fragen der Europäischen Union empfahlen dem Bundesrat, zu den Gesetzentwürfen eine Stellungnahme abzugeben. Wesentliche Punkte der Stellungnahme sind:

  • Erforderlichkeit einer Gesamtstrategie zur Beseitigung der Gefährdung der Wirtschafts- und Währungsunion durch die anhaltende Finanzkrise,
  • Anerkennung des ESM als geeignetes Instrument dieser Gesamtstrategie zur Wahrung der Stabilität des Euro-Währungsgebiets,
  • Bekräftigung, dass es einer flankierenden Wachstumsstrategie bedarf, die auch den Einsatz von Mitteln der Strukturfonds der EU beinhaltet und Perspektiven für Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung eröffnet,
  • Gewährung von Stabilitätshilfen aus dem ESM nur „ultima ratio“ und unter strikten Auflagen. Durch geeignete Maßnahmen soll der Eintritt neuer Verschuldungsprobleme vermieden werden,
  • Wahrung der Interessen des Steuerzahlers im Hinblick auf die Folgen für den Bundeshaushalt und
  • Hinweis darauf, dass Fälligkeiten aus Zahlungsverpflichtungen allein den Bundeshaushalt betreffen.

Der Wirtschaftsausschuss empfahl, keine Einwendungen zu erheben.

Behandlung im Plenum:
Der Bundesrat hat mit den Stimmen Niedersachsens beschlossen, zu den Gesetzentwürfen Stellung zu nehmen. Ergänzend beschloss der Bundesrat einen Antrag aller Länder. Darin fordert der Bundesrat die Wahrung seiner Beteiligungsrechte und eine umfassende und frühestmögliche Unterrichtung durch die Bundesregierung im Hinblick auf den Vollzug und die Festlegung von Modalitäten des ESM-Vertrages. Unter Hinweis auf seinen Beschluss in der Bundesrats-Drucksache 369/11 wiederholt der Bundesrat zudem, seine sich aus Artikel 23 des Grundgesetzes ergebenden Mitwirkungsrechte in EU-Angelegenheiten mittelfristig klarstellend gesetzlich zu regeln.

Zu TOP 28
Entwurf eines Gesetzes zur Neuausrichtung der Pflegeversicherung
(Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz - PNG)
BR-Drs. 170/12

Wesentlicher Inhalt:
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf soll den Herausforderungen, die der demographische Wandel an die Weiterentwicklung der pflegerischen Versorgung und Betreuung stellt, begegnet werden. Parallel zu diesem Gesetzgebungsverfahren werden noch zu klärende Umsetzungsfragen zur schrittweisen Einführung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs von einem Expertenbeirat bearbeitet, um den mit diesem Gesetz eingeleiteten Orientierungswechsel weiter voranzutreiben. Die wesentlichen Inhalte und Maßnahmen des Pflege-Neuausrichtungsgesetzes stellen sich wie folgt dar:

  • Leistungsverbesserungen für demenziell erkrankte Menschen ab 1.1.2013,
  • Flexibilisierung der Leistungsinanspruchnahme,
  • Stärkung des Grundsatzes „Rehabilitation vor Pflege“,
  • Gleichzeitig Gewährung von Pflegegeld und Kurzzeit- bzw. Verhinderungspflege,
  • Verbesserung der rentenrechtlichen Berücksichtigung bei Pflege von gleichzeitig mehreren Pflegebedürftigen,
  • Stärkung neuer Wohn- und Betreuungsformen,
  • Verbesserung der medizinischen Versorgung insbesondere in Pflegeheimen,
  • Verbesserung der Beteiligung von Betroffenen und Versicherten,
  • Förderung der Selbsthilfe und des ehrenamtlichen Engagements,
  • Stärkere Dienstleistungsorientierung bei der Begutachtung von Antragstellern auf Leistungen der Pflegeversicherung,
  • Sicherstellung einer frühzeitigen Beratung und
  • zukunftssichere Finanzierung.

Behandlung in den Ausschüssen:
Der federführende Gesundheitsausschuss, der Ausschuss für Arbeit und Sozialpolitik, der Ausschuss für Familie und Senioren sowie der Finanzausschuss gaben eine umfangreiche fachliche Stellungnahme ab. Unter anderem gab es im Gesundheitsausschuss einen Antrag von Niedersachsen und weiteren Ländern zur Förderung von alternativen Wohnformen. Im Interesse der Pflegebedürftigen wird noch eine Ausweitung der im Entwurf der Bundesregierung neu vorgesehenen Regelungen angestrebt: ein Zusammenleben in gewachsenen Siedlungsgebieten soll im Sinne des Pflegeversicherungsrechts als eine gemeinsame alternative Wohnform anerkannt werden.

Behandlung im Plenum:
Die oben genannte Forderung aus dem Gesundheitsausschuss machte sich der Bundesrat mit den Stimmen Niedersachsens zu eigen. Frau Ministerin Özkan gab im Plenum eine Rede zu Protokoll.

TOP 58
Dritte Verordnung zur Änderung der Schwerbehindertenausweisverordnung
BR-Drs. 184/12
in Verbindung mit
Zu TOP 15
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Neunten Buches Sozialgesetzbuch
- Antrag der Länder Niedersachsen, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt -
BR-Drs. 217/12

Wesentlicher Inhalt:
Ziel der Verordnung ist es, den bisherigen Schwerbehindertenausweis in Papierform durch eine Plastikkarte im benutzerfreundlichen Bankkartenformat (ID-1) zu ersetzen. Diese Umstellung auf das neue Ausweisformat soll spätestens am 1. Januar 2015 abgeschlossen sein. Die Form des neuen Ausweises richtet sich hinsichtlich Größe und Beschaffenheit nach der einschlägigen europäischen Norm für Identifikationskarten. Die bisherige Farbgebung (grün und grün-orange) bleibt unverändert, um den Wiedererkennungswert des neuen Ausweises nicht zu beeinträchtigen. Alte Ausweise bleiben bis zum Ablauf ihrer Gültigkeitsdauer bestehen. Das Gleiche gilt für ausgestellte Beiblätter. Der Gesetzentwurf zur Änderung des Neunten Buches Sozialgesetzbuch zielt u.a. darauf ab, eine erhebliche Verwaltungsvereinfachung beim Bund und den Ländern sowie eine Vereinfachung der Finanzbeziehungen zwischen dem Bund und den Ländern aus einer Erstattungspflicht gegenüber den Verkehrsunternehmen für Einnahmeverluste, die sich aus der unentgeltlichen Beförderung Schwerbehinderter im öffentlichen Personennahverkehr ergeben, zu erreichen.

Behandlung in den Ausschüssen:
Der Ausschuss für Arbeit und Sozialpolitik empfahl dem Bundesrat der Verordnung zuzustimmen. Der Verkehrsausschuss empfahl dem Bundesrat, den Gesetzentwurf nach Maßgabe zweier Änderungen einzubringen. Unter anderem soll den Ländern eine eigene gesetzgeberische Möglichkeit gegeben werden, Bundesrecht durch Landesrecht zu ersetzen, um Chancen für ein einfacheres und transparenteres Erstattungsverfahren nutzen zu können. Der federführende Ausschuss für Arbeit und Sozialpolitik und der Finanzausschuss empfahlen dem Bundesrat, den Gesetzentwurf unverändert einzubringen.

Behandlung im Plenum:
Der Bundesrat hat mit den Stimmen Niedersachsens der Änderung der Schwerbehindertenausweisverordnung zugestimmt. Darüber hinaus hat der Bundesrat mit den Stimmen Niedersachsens die Einbringung eines Gesetzes zur Änderung des Neunten Buches Sozialgesetzbuches nach Maßgabe beschlossen. Die Maßgabe soll der Rechtssicherheit und der Rechtsklarheit dienen.

Zu TOP 61
Erste Verordnung zur Änderung der Approbationsordnung für Ärzte
BR-Drs. 238/12

Wesentlicher Inhalt:
Zur gezielten Nachwuchsgewinnung und Förderung von Medizinstudierenden enthält der Verordnungsentwurf folgende Neuregelungen: Der schriftliche Teil des Zweiten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung wird vor das Praktische Jahr (PJ) verlegt und die Ärztliche Prüfung dadurch in drei Abschnitte aufgeteilt. Um eine ausgewogenere regionale Verteilung der angehenden Ärztinnen und Ärzten zu erreichen, soll das PJ künftig nicht nur an der Universitätsklinik der Heimatuniversität und an den der Heimatuniversität bisher zugeordneten Lehrkrankenhäusern absolviert werden können, sondern auch an anderen geeigneten Krankenhäusern. Zur Stärkung der Allgemeinmedizin in der ärztlichen Ausbildung werden folgende Regelungen getroffen: Für das Blockpraktikum in der Allgemeinmedizin wird eine Dauer von zwei Wochen statt bisher von einer Woche verbindlich vorgeschrieben. Für das Wahltertial im PJ wird die Vorgabe aufgenommen, dass die Universitäten zunächst 10 % und später 20 % der Studierenden einen PJ-Platz in der Allgemeinmedizin anzubieten haben.

Behandlung in den Ausschüssen:
Der federführende Gesundheitsausschuss und der Ausschuss für Kulturfragen empfahlen dem Bundesrat, der Verordnung nach Maßgabe von Änderungen zuzustimmen. Der Gesundheitsausschuss stellte im Wesentlichen folgende Forderungen:

  • Verbesserung der psychosozialen und kommunikativen Fähigkeiten (Gesprächsführung) der angehenden Ärztinnen und Ärzte,
  • Anerkennung eines Krankenpflegepraktikums nicht nur im Krankenhaus, sondern darüber hinaus in einer Rehabilitationseinrichtung, wenn der Pflegeaufwand für Patientinnen und Patienten mit einem Krankenhaus vergleichbar ist,
  • Aufnahme der Palliativmedizin und der Schmerzmedizin als separate Querschnittsbereiche in die Ausbildung,
  • Aufforderung an das Bundesministerium für Gesundheit, die praktische Umsetzung der Quotenregelung für die Allgemeinmedizin beim PJ aufmerksam zu beobachten und zukünftig verpflichtende Ausbildungsbestandteile in der Allgemeinmedizin in der Approbationsordnung zu verankern.

Der Ausschuss für Kulturfragen präzisierte das Auswahlrecht der Universitäten bei Lehrkrankenhäusern im Hinblick auf die Notwendigkeit, den Studierenden die ganze Breite künftiger Einsatzmöglichkeiten des medizinischen Alltags zu eröffnen. Der Ausschuss für Frauen und Jugend sowie der Finanzausschuss empfahlen dem Bundesrat, der Verordnung zuzustimmen.

Behandlung im Plenum:
Der Bundesrat nahm alle oben genannten Vorschläge für Änderungen mit den Stimmen Niedersachsens an. Der Verordnung wurde schließlich nach Maßgabe von Änderungen zugestimmt. Frau Ministerin Özkan gab im Plenum eine Rede zu Protokoll.

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Artikel-Informationen

Ansprechpartner/in:
Herr Rüdiger Jacobs

Vertretung des Landes Niedersachsen beim Bund
In den Ministergärten 10
10117 Berlin
Tel: 030/72629-1700
Fax: 030/72629-1702

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