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852. Sitzung des Bundesrates am 5. Dezember 2008

Aus niedersächsischer Sicht waren folgende Tagesordnungspunkte von besonderer Bedeutung:


TOP 1
Gesetz zur Umsetzung steuerrechtlicher Regelungen des Maßnahmenpakets "Beschäftigungssicherung durch Wachstumsstärkung"
BR-Drs. 923/08

TOP 2
Gesetz zur Förderung von Familien und haushaltsnahen Dienstleistungen (Familienleistungsgesetz - FamLeistG)
BR-Drs. 924/08

TOP 3
Gesetz zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts
(Erbschaftsteuerreformgesetz - ErbStRG)
BR-Drs. 888/08






Zu TOP 1
Gesetz zur Umsetzung steuerrechtlicher Regelungen des Maßnahmenpakets "Beschäftigungssicherung durch Wachstumsstärkung"
BR-Drs. 923/08


Wesentlicher Inhalt:

Mit dem Gesetz erfolgt die Umsetzung der steuerlichen Regelungen des Maßnahmenpakets "Beschäftigungssicherung durch Wachstumsstärkung" (Maßnahmenpaket). In Anbetracht der weltweiten Konjunkturabschwächung als Folge der ernsten Krise auf den globalen Finanzmärkten ist es Ziel des Gesetzes, Wachstum und Beschäftigung in Deutschland auch weiterhin zu sichern. Die steuerrechtlichen Maßnahmen sollen kräftige Impulse für öffentliche und private Investitionen geben. Bürger und Unternehmen werden entlastet, um den Konsum zu beleben. Im Einzelnen werden folgende Maßnahmen getroffen:

- Wiedereinführung einer degressiven Abschreibung für bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens ab dem 1. Januar 2009 in Höhe von höchstens 25 %, befristet auf zwei Jahre
- Erweiterung der Inanspruchnahme von Sonderabschreibungen für kleinere und mittlere Unternehmen durch Erhöhung der Betriebsvermögensgrenze auf 335.000 Euro (bisher 235.000 Euro) und der Gewinngrenze auf 200.000 Euro (bisher 100.000 Euro), gleichfalls befristet auf zwei Jahre
- Ausweitung der Absetzbarkeit von Handwerkerleistungen bei Renovierungs-, Instandhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen durch Verdopplung des von der Steuerschuld abziehbaren Höchstbetrags auf 1.200 Euro pro Jahr (20 % von max. 6.000 Euro) für Leistungen und Zahlungen, die nach dem 31. Dezember 2008 erbracht werden
- Gewährung einer Kraftfahrzeugsteuerbefreiung für neue PKW mit Erstzulassung ab dem Kabinettsbeschluss am 5. Nov. 2008 bis zum 30. Juni 2009 für ein Jahr. Bei Fahrzeugen, die die Euro-5 und Euro-6 Norm erfüllen, verlängert sich die Steuerbefreiung auf zwei Jahre. Die Steuerbefreiung endet in jedem Fall am 31. Dezember 2010.

Die finanziellen Auswirkungen des Gesetzes für die öffentlichen Haushalte gehen in Höhe von rd. 38 % zu Lasten des Bundes und in Höhe von rd. 62 % zu Lasten der Länder (36 %) und Gemeinden (26 %).


Verfahren:

Die Gesetzesvorlage wurde aus der Mitte des Bundestages von den Fraktionen der CDU/CSU und der SPD eingebracht. Der Bundesrat war daher nur im zweiten Durchgang mit der Vorlage befasst. Die Beratung im Bundesrat erfolgte mit Zustimmung der Bundesländer ohne Ausschussberatung und unter Verkürzung der gesetzlichen Frist aufgrund besonderer Eilbedürftigkeit. Somit konnte über das Gesetz in einer Sondersitzung beraten werden.


Behandlung im Plenum:

Ministerpräsident Christian Wulff hat das Wort im Plenum ergriffen. Er begrüßte das Maßnahmenpaket ausdrücklich, weil es gezielt wirke und zur Stabilisierung beitrage. Er sprach sich dafür aus, den Vermittlungsausschuss nicht anzurufen und dem Maßnahmenpaket zuzustimmen.

Der Bundesrat hat dem Gesetzentwurf mit den Stimmen Niedersachsens zugestimmt.
Die Anrufung des Vermittlungsausschusses wurde mit den Stimmen Niedersachsens abgelehnt.

Darüber hinaus hat der Bundesrat einen gemeinsamen Entschließungsantrag der Länder Sachsen und Saarland mit den Stimmen Niedersachsens beschlossen. Darin wird die Bundesregierung aufgefordert, sich bei der EU-Kommission für eine der Finanzmarktkrise angemessene Auslegung beihilferechtlicher Regelungen einzusetzen.

Der gemeinsame Entschließungsantrag von Bremen und Hamburg, mit dem die Bundesregierung aufgefordert werden sollte, die Kraftfahrzeugsteuer zeitnah, spätestens bis zum 1.7.2009 auf CO2-Basis umzustellen, wurde mit den Stimmen Niedersachsens abgelehnt.



Zu TOP 2
Gesetz zur Förderung von Familien und haushaltsnahen Dienstleistungen (Familienleistungsgesetz - FamLeistG)
BR-Drs. 924/08


Wesentlicher Inhalt:

Das Gesetz soll im Sinne einer nachhaltigen Familienpolitik Familien in unterschiedlichen Lebenssituationen und mit unterschiedlichen Bedürfnissen fördern und steuerlich entlasten. Zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf werden auch Beschäftigungsmöglichkeiten in den privaten Haushalten gefördert. Zudem ist eine bürgerfreundliche Umgestaltung der maßgeblichen Vorschriften vorgesehen. Im Einzelnen enthält der Gesetzentwurf folgende Maßnahmen:

- Erhöhung des Kinderfreibetrages für jedes Kind um 216 Euro auf 3.864 Euro
- Anhebung des Kindergeldes um jeweils 10 Euro für das erste und zweite Kind und um jeweils 16 Euro für jedes weitere Kind.
- Zusammenfassung der Regelungen zur steuerlichen Berücksichtigung von Kinderbetreuungskosten in einer einzigen Vorschrift (neuer § 9c EStG)
- Zusammenfassung der Regelungen zu haushaltsnahen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen und haushaltsnahen Dienstleistungen einschließlich Pflegeleistungen in einer Vorschrift. Die steuerliche Förderung wird auf 20 Prozent der Aufwendungen von bis zu 20.000 Euro, maximal 4.000 Euro pro Jahr erhöht. Sie gilt nur für die Arbeitskosten
- Gewährung von Leistungen für den Schulbedarf jeweils zum Schuljahresbeginn bis Jahrgangsstufe 10 in Höhe von 100 Euro für Schülerinnen und Schüler aus Familien, die Leistungen zum Lebensunterhalt im Rahmen des SGB II (Arbeitslosengeld 2) und SGB XII (Sozialhilfe) erhalten.

Die hieraus resultierenden jährlichen Steuermindereinnahmen belaufen sich auf ca. 2,270 Mrd. Euro. Davon entfallen rd. 945 Mio. Euro auf die Länder und rd. 334 Mio. Euro auf die Gemeinden.


Verfahren:

Da die Bundesländer der Fristverkürzungsbitte der Bundesregierung unter Hinweis auf die Eilbedürftigkeit zugestimmt hatten, konnte über das Gesetz in einer Sondersitzung unter Verkürzung der gesetzlichen Frist beraten werden.


Behandlung im Plenum:

Der Bundesrat hat mit den Stimmen Niedersachsens beschlossen, den Vermittlungsausschuss anzurufen. Als Grund für die Anrufung wurde dem Mehr-Länderantrag von Bayern, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Schleswig- Holstein und Thüringen mit den Stimmen Niedersachsens zugestimmt. Danach ist die Lastentragung zwischen Bund und Ländern infolge der Neuregelung des Familienleistungsausgleichs entsprechend anzupassen. Die Länder fordern zum Ausgleich der Anhebung des Kindergeldes eine Erhöhung des Anteils am Umsatzsteueraufkommen von 0,41 Prozentpunkten gegenüber dem Bund.
Die Anrufungsgründe in den Anträgen von Rheinland-Pfalz und Berlin wurden mit den Stimmen Niedersachsens abgelehnt.

Ein gemeinsamer Entschließungsantrag von Schleswig-Holstein, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern und dem Saarland wurde ohne die Stimmen Niedersachsens beschlossen. Mit der Entschließung wird eine höhere Bemessung der Regelsätze von Sozialleistungen für Kinder unter Berücksichtigung des besonderen Schulbedarfs begehrt.

Zudem wurde ein Entschließungsantrag des Saarlandes mit den Stimmen Niedersachsens beschlossen. Er sieht eine Prüfung der Zahlung des Schulgeldes über die zehnte Jahrgangstufe hinaus und eine Ausweitung der Steuerbefreiung von Arbeitgeberleistungen für Kinderbetreuung bis zum vollendeten 14. Lebensjahr vor.



Zu TOP 3
Gesetz zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts
(Erbschaftsteuerreformgesetz - ErbStRG)
BR-Drs. 888/08


Wesentlicher Inhalt:

Ziel des Gesetzes ist es an einer Besteuerung von Erbschaften und Schenkungen in Deutschland festzuhalten und die erbschafts- und schenkungssteuerlichen Belastungen von Unternehmen und dem engeren Familienkreis zu reduzieren. Demzufolge soll die Unternehmensnachfolge bei Erbschaften oder Schenkungen erleichtert werden, indem der Unternehmensübergang bei langfristiger Sicherung von Arbeitsplätzen steuerbegünstigt wird. Durch angehobene persönliche Freibeträge soll der Übergang durchschnittlicher Vermögen im engeren Familienkreis (Ehegatten, Kinder, Enkel) im Regelfall nicht zu einer Erbschaftssteuerzahlung führen. Ferner werden Verbesserungen für Lebenspartner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft eingeführt.
Mit dem Gesetz wird auch den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts entsprochen. Das Bundesverfassungsgericht hatte in seinem Beschluss vom 7. November 2006 das derzeit geltende Erbschaftsteuerrecht insoweit verfassungswidrig angesehen, als die Bewertungsvorschriften dem Gleichheitssatz des Grundgesetzes widersprechen und bei einheitlichem Steuersatz den verschiedenen Vermögensgegenständen unterschiedliche Wertansätze zugrunde liegen. Die Bewertung des Grundvermögens, des Betriebsvermögens, des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens sowie von nicht notierten Anteilen an Kapitalgesellschaften orientiert sich nun einheitlich am gemeinen Wert (Verkehrswert).

Die wesentlichen Änderungen im Einzelnen:

Private Erbschaftssteuer
- Die Vererbung von selbstgenutztem Wohneigentum unter Ehegatten sowie bei eingetragenen Lebenspartnerschaften wird erbschaftsteuerfrei gestellt. Gleiches gilt für selbstgenutztes Wohneigentum bis zu 200 Quadratmeter Wohnfläche bei der Vererbung an Kinder. Voraussetzung ist jeweils die Einhaltung einer Selbstnutzungsfrist von 10 Jahren. Die Steuerbefreiung entfällt rückwirkend, wenn der Erwerber die Wohnung innerhalb von 10 Jahren nach dem Erwerb nicht mehr zu Wohnzwecken selbst nutzt.
- Die auf den Erwerb von vermieteten Wohnimmobilien und im Falle einer Steuerpflicht der selbst genutzten Immobilie entfallende Steuer ist zu stunden (beim Erwerb von Todes wegen zinslos), wenn zur Entrichtung der Steuer die Veräußerung des Grundstücks erfolgen müsste. Der Rechtsanspruch auf Stundung besteht nicht, wenn der Erwerber die auf das begünstigte Vermögen entfallende Erbschaftsteuer entweder aus weiterem erworbenem Vermögen oder aus seinem vorhandenen eigenen Vermögen aufbringen kann.
- Pflegeleistungen, die gegenüber dem Erblasser unentgeltlich oder gegen ein zu geringes Entgelt erbracht wurden, führen zu einem steuerfreien Erwerb von nunmehr 20.000 Euro (bisher 5.200 Euro). Dies gilt auch für Geschwister.
- Anhebung der persönlichen Freibeträge, der Tarifstufen in den Steuerklassen II und III und des Steuertarifs.

Betriebliche Erbschaftssteuer
- Bei der Vererbung von Betriebsvermögen, land- und forstwirtschaftlichem Vermögen
und Anteilen an Kapitalgesellschaften wird regelmäßig ein Verschonungsabschlag
von 85 % auf die Erbschaftsteuer gewährt. Voraussetzung ist die
- Einhaltung der Behaltensfrist von 7 Jahren
- Nichtunterschreitung der Lohnsumme von insgesamt 650 % der
Ausgangslohnsumme innerhalb der Behaltensfrist
- Einhaltung der Verwaltungsvermögensgrenze von 50 %.

- Wahlweise wird für Betriebe ein Verschonungsabschlag von 100 % gewährt.
Voraussetzung ist die
- Einhaltung der Behaltensfrist von 10 Jahren
- Nichtunterschreitung der Lohnsumme von 1000 % der
Ausgangslohnsumme innerhalb der Behaltensfrist
- Einhaltung der Verwaltungsvermögensgrenze von 10 %.

- Bei Nichteinhaltung erfolgt eine Nachversteuerung nur insoweit, als die Behaltensfrist
zeitanteilig bzw. die Mindestlohnsumme prozentual unterschritten wird.
- Gewerbebetriebe mit bis zu 10 Arbeitnehmern sind von der Lohnsummenregelung
befreit.
- Im Falle der Nichteinhaltung der Behaltensfrist tritt keine Versteuerung ein, wenn der
Veräußerungserlös in der begünstigten Vermögensart verbleibt
(Re-Investitionsklausel).
- Wohnungsunternehmen werden bei Einhaltung bestimmter Voraussetzungen in die
Begünstigung für Betriebsvermögen einbezogen.


Verfahren:

Da die Bundesländer der Fristverkürzungsbitte der Bundesregierung unter Hinweis auf die Eilbedürftigkeit zugestimmt hatten, konnte über das Gesetz in einer Sondersitzung des Bundesrates unter Verkürzung der gesetzlichen Frist beraten werden.


Behandlung im Plenum:

Minister Hirche hat im Plenum das Wort ergriffen. In seiner Rede würdigte er den Gesetzentwurf kritisch. Zwar sei der sogenannte Fallbeileffekt bei Nichterfüllung der Haltefristen weggefallen, das ErbStRG sei aus seiner Sicht aber kontraproduktiv und nicht akzeptabel. Es gefährde in seiner Umsetzung Arbeitsplätze und sei familien- und mittelstandsfeindlich.

Der Bundesrat hat dem Gesetzentwurf ohne die Stimmen Niedersachsens zugestimmt.
Niedersachsen hat sich der Stimme enthalten.



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