826. Sitzung des Bundesrates am 13. Oktober 2006
Aus niedersächsischer Sicht waren folgende Tagesordnungspunkte von besonderer Bedeutung:
Zu TOP 7 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes
- Antrag der Länder Hamburg und Niedersachsen
- BR-Drs. 34/05
- BR-Drs. 684/06
Zu TOP 8 Entwurf eines Gesetzes zur Effektivierung des Strafverfahrens
- Antrag der Länder Nordrhein-Westfalen, Bayern, Hessen, Niedersachsen, Thüringen
und Hamburg
- BR-Drs. 660/06
Zu TOP 11 Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes
- BR-Drs. 620/06
Zu TOP 13 Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer Biokraftstoffquote durch Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und zur Änderung energie- und stromsteuerrechtlicher Vorschriften (Biokraftstoffquotengesetz - BioKraftQuG)
BR-Drs. 621/06
Zu TOP 20 Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Änderung eisenbahnrechtlicher Vorschriften
BR-Drs. 626/06
zu TOP 7
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes
- Antrag der Länder Hamburg und Niedersachsen -
BR-Drs. 34/05
BR-Drs. 684/06
Wesentlicher Inhalt:
Mit dem Gesetzentwurf soll die Sozialgerichtsbarkeit entlastet werden.
Seit Inkrafttreten der so genannten Hartz-IV-Reform sind die Sozialgerichte durch die Übertragung zusätzlicher Zuständigkeiten für Sozialhilfe, Grundsicherung für Arbeitssuchende und Asylbewerberleistungen erheblich belastet. Erschwerend kommt hinzu, dass in der Sozialgerichtsbarkeit die Berufung lediglich bei geringen Gegenstandswerten durch ein Zulassungserfordernis beschränkt ist. Auch gibt es weder Präklusionsvorschriften noch einen Vertretungszwang in der zweiten Instanz. Darüber hinaus ermöglicht das SGG den Verfahrensbeteiligten Ärzte zu bestimmen, die neben den gerichtlich bestellten Sachverständigen angehört werden müssen. Das kann zu erheblichen Verfahrensverzögerungen führen.
Deshalb werden entsprechende schlankere Regelungen aus dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren übernommen.
Behandlung in den Ausschüssen:
Der federführende Rechtsausschuss empfahl dem Bundesrat, den Gesetzentwurf nach Maßgabe von Änderungen beim Deutschen Bundestag einzubringen und eine Entschließung zu fassen.
Es sollen weitere Verfahrenserleichterungen geschaffen werden.
Zum Beispiel soll der Einzelrichter ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter entscheiden können, wenn die Parteien damit einverstanden sind. Dem Gericht soll es ermöglicht werden, durch Beschluss die Bestellung eines Bevollmächtigten oder die Hinzuziehung eines Beistandes anzuordnen, wenn Beteiligte in der mündlichen Verhandlung nicht zu sachgemäßem Vortrag in der Lage sind. Eine Klage soll als zurückgenommen gelten, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als zwei Monate nicht betreibt. Außerdem soll das Gericht von der schriftlichen Begründung eines in mündlicher Verhandlung verkündeten Urteils absehen können. Voraussetzung ist allerdings eine Verzichtserklärung der Beteiligten auf Rechtsmittel.
Der Finanzausschuss empfahl dem Bundesrat, den Gesetzentwurf unverändert beim Deutschen Bundestag einzubringen.
Im Ausschuss für Arbeit und Sozialpolitik und im Gesundheitsausschuss ist eine Empfehlung nicht zustande gekommen.
Behandlung im Plenum:
Der Bundesrat hat mit den Stimmen Niedersachsens den Gesetzentwurf in der vom Rechtsausschuss vorgeschlagenen Form eingebracht.
Für den vom Rechtsausschuss vorgeschlagenen Entschließungsantrag, den Baden-Württemberg durch einen entsprechenden Plenarantrag aktualisiert hatte, fand sich keine Mehrheit. Ein Bayrischer Plenarantrag mit dem Ziel, den Verfahrensbeteiligten zusätzliche weitere ärztliche Gutachten zu ermöglichen, wurde nicht angenommen.
Zu TOP 8
Entwurf eines Gesetzes zur Effektivierung des Strafverfahrens
- Antrag der Länder Nordrhein-Westfalen, Bayern, Hessen, Niedersachsen, Thüringen
und Hamburg -
BR-Drs. 660/06
Wesentlicher Inhalt:
Das Strafverfahren soll gestrafft und vereinfacht werden.
Der Entwurf enthält Änderungen der Strafprozessordnung, des Gerichtsverfassungsgesetzes und des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten.
Er sieht Verbesserungen sowohl im Ermittlungsverfahren als auch in der Hauptverhandlung, im Rechtsmittelverfahren, in der Strafvollstreckung und im Ordnungswidrigkeitenverfahren vor.
Künftig sollen Zeugen verpflichtet werden, auch auf Ladung der Polizei zu erscheinen und auszusagen. Bisher war dies nur gegenüber der Staatsanwaltschaft der Fall. Entfaltet aber bereits die Vorladung zur Polizei die Pflicht zum Erscheinen und zur Aussage, kann das Ermittlungsverfahren zügiger und damit auch kostengünstiger geführt werden.
Der Strafrahmen im Strafbefehlsverfahren und im vereinfachten Verfahren wird auf zwei Jahre erweitert.
Vorgesehen ist unter anderem auch die einfachere Ablehnung Prozess verschleppender Beweisanträge. Berufungen müssen begründet werden, damit die Gerichte nicht wahllos mit Prozessen überzogen werden.
Bei Ordnungswidrigkeiten sollen Rechtsmittel grundsätzlich nur noch ab 500,-€ Bußgeld zulässig sein.
Behandlung in den Ausschüssen:
Der federführende Rechtsausschuss und der Ausschuss für Innere Angelegenheiten empfahlen dem Bundesrat, den Gesetzentwurf beim Deutschen Bundestag einzubringen.
Behandlung im Plenum:
Der Bundesrat hat mit den Stimmen Niedersachsens den Gesetzentwurf eingebracht.
Zu TOP 11
Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes
BR-Drs. 620/06
Wesentlicher Inhalt:
Das Arbeitnehmer-Entsendegesetz, das im Wesentlichen nur für den Baubereich gilt, verpflichtet im Ausland ansässige Arbeitgeber, ihren nach Deutschland entsandten Arbeitnehmern die hier geltenden tariflichen Arbeitsbedingungen zu gewähren. Damit werden zugleich die hier beschäftigten deutschen Arbeitnehmer vor unerwünschten sozialen Verwerfungen durch untertarifliche Entlohnung entsandter Arbeitnehmer geschützt. Die Bundesregierung will jetzt das vergleichbar lohnkostenintensive Gebäudereinigerhandwerk mit einbeziehen.
Behandlung in den Ausschüssen:
Der federführende Ausschuss für Arbeit und Sozialpolitik empfahl dem Bundesrat, gegen den Gesetzentwurf keine Einwendungen zu erheben.
Der Wirtschaftsausschuss empfahl dem Bundesrat, Stellung zu nehmen. Das zuständige Bundesministerium soll im Gegensatz zum Baubereich die Allgemeinverbindlichkeit der Tarifverträge im Gebäudereinigerhandwerk nicht per Rechtsverordnung erklären können. Das Verfahren nach dem Tarifvertragsgesetz sei vorzuziehen. Nur so könne eine breite Basis und Akzeptanz der Entlohnungs- und Arbeitsbedingungen durch die Arbeitgeber und Arbeitnehmer der betroffenen Branche gewährleistet werden. Durch die Mitwirkung des Tarifausschusses, d.h. der Spitzenorganisationen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer, würden die gesamtwirtschaftlichen Gesichtspunkte stärker in die Entscheidung mit einbezogen als durch das Verfahren mittels Rechtsverordnung.
Nach Auffassung des Wirtschaftsausschusses soll ferner die Aufnahme des Gebäudereinigerhandwerks in das Entsendegesetz nur befristet bis 2009 erfolgen, um die Notwendigkeit der Einbeziehung nach angemessener Frist prüfen zu können.
Behandlung im Plenum:
Der Bundesrat hat ohne die Stimmen Niedersachsens beschlossen, gegen den Gesetzentwurf keine Einwendungen zu erheben.
Zu TOP 13
Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer Biokraftstoffquote durch Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und zur Änderung energie- und stromsteuerrechtlicher Vorschriften (Biokraftstoffquotengesetz - BioKraftQuG)
BR-Drs. 621/06
Wesentlicher Inhalt:
Die seit Jahren anhaltende dynamische Entwicklung der Biokraftstoffe führt auf der Basis der bisherigen Förderung über Steuervergünstigungen zu ansteigenden Steuerausfällen. Diesen Steuerausfällen begegnete die Bundesregierung in einem ersten Schritt mit dem Energiesteuergesetz und traf Festlegungen zur Einführung und schrittweisen Anhebung der Besteuerung von Biokraftstoffen.
Das Biokraftstoffquotengesetz, das am 1. Januar 2007 in Kraft treten soll, ist einerseits ein weiterer Schritt zur Besteuerung der Biokraftstoffe, andererseits aber auch eine legislative Maßnahme, die den Herstellern größere Sicherheit für den Absatz ihrer Produkte bieten wird. Das Gesetz wird die Mineralölwirtschaft verpflichten, dem Diesel 4,4 % Biodiesel und dem Ottokraftstoff 2 bzw. 3 % Bioethanol zuzumischen. Anteile, die dann im Kraftstoff voll versteuert werden. Auf Grund dieser Beimischungspflicht wird das Produktionsvolumen für Biokraftstoffe nicht nur erhalten bleiben, sondern es wird die für Biodiesel vorhandenen und in Bau befindlichen Herstellungskapazitäten auszulasten helfen. Für Bioethanol werden neue Herstellungskapazitäten geschaffen werden müssen. Bestes Beispiel: die Nordzucker AG investiert in eine neue Produktionsanlage für Bioethanol. Wir werden also eine Situation vergleichbar mit der in Frankreich seit Jahren geltenden Beimischungspflicht von 5 % Biodiesel zum Diesel haben.
Sowohl im Energiesteuergesetz als auch im Biokraftstoffquotengesetz sind Anpassungs- oder Übergangsregelungen vorgesehen, die dafür sorgen sollen, dass es am Markt zu keinen sprunghaften Veränderungen und damit zu ungewollten Verwerfungen kommt.
Ein Beispiel dafür sind die Biokraftstoffe der zweiten Generation (z.B. synthetische Kohlenwasserstoffe wie BtL oder Sunfuel) für die es bis 2015 eine Steuerbegünstigung geben wird. Diese Kraftstoffe werden als besonders förderungswürdig angesehen. Auch Biogas zur Verwendung im Treibstoffsektor (stationäre Motoren für Generatoren) wird bis 2015 begünstigt bleiben. Hier hat Niedersachsen einen Änderungsantrag zugunsten einer Steuerbegünstigung bis 2018 eingebracht. Darüber hinaus hat sich Niedersachsen mit einem Plenarantrag dafür eingesetzt, dass Biogasqualitäten einerseits für den Betrieb in den o. g. stationären Motoren für die Stromerzeugung (Generatoren) und andererseits für Fahrzeugmotoren normiert werden. Dies ist eine Vorsorge, damit die in der Landwirtschaft betriebenen stationären Blockkraftwerke niedriger Leistung weiter mit steuerfreiem Biogas betrieben werden können.
Behandlung in den Ausschüssen:
Der Agrar-, Umwelt-, Verkehrs- und Wirtschaftsausschuss brachten Änderungsanträge ein.
Behandlung im Plenum:
Der Bundesrat hat mit den Stimmen Niedersachsens dem Gesetzentwurf mit großer Mehrheit zugestimmt. Der Plenarantrag Niedersachsens erhielt ebenfalls eine Mehrheit.
Zu TOP 20
Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Änderung eisenbahnrechtlicher Vorschriften
BR-Drs. 626/06
Wesentlicher Inhalt:
Die Bundesregierung setzt mit dem Gesetzentwurf die EU-Richtlinie 2004/49/EG zur Eisenbahnsicherheit um. Der Gesetzentwurf selbst enthält nur wenige Regelungen. Der größte Teil der Umsetzungsvorschriften ist Gegenstand von zwei derzeit auf Arbeitsebene in der Abstimmung befindlichen Verordnungsentwürfen.
Der Gesetzentwurf sieht vor, das Eisenbahn-Bundesamt zur zentralen Sicherheitsbehörde in Deutschland zu machen. Die Länderinteressen sollen im Rahmen eines neu einzurichtenden Sicherheitsbeirates gewahrt werden.
Behandlung in den Ausschüssen:
Eine Empfehlung des federführenden Verkehrsausschusses ist nicht zustande gekommen. Der Ausschuss für Innere Angelegenheiten, der Rechtsausschuss und der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit empfahlen dem Bundesrat, gegen den Gesetzentwurf keine Einwendungen zu erheben.
Behandlung im Plenum:
Der Bundesrat hat ohne die Stimmen Niedersachsens einem Plenarantrag des Freistaates Bayern zugestimmt, der mit einigen Ausnahmen die Ausdehnung der Bundeszuständigkeit für Eisenbahnaufsicht auf den gesamten öffentlichen Eisenbahnbetrieb fordert. Dem Plenarantrag Niedersachsens hat der Bundesrat ebenfalls zugestimmt, wonach in den Gesetzentwurf eine Öffnungsklausel aufzunehmen ist, mit der den Ländern die Möglichkeit gegeben wird, die Aufgaben der Sicherheitsbehörde künftig auf Wunsch auch selbst auszuüben. Der Bundesrat hat damit beschlossen, zu dem Gesetzentwurf Stellung zu nehmen.
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