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823. Sitzung des Bundesrates am 16. Juni 2006

Aus niedersächsischer Sicht waren folgende Tagesordnungspunkte von besonderer Bedeutung:


TOP 3 Haushaltsbegleitgesetz 2006 (Haushaltsbegleitgesetz 2006 - HBeglG 2006)

TOP 20 Entwurf eines Steueränderungsgesetzes 2007

TOP 21 Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung

TOP 3 Haushaltsbegleitgesetz 2006 (Haushaltsbegleitgesetz 2006 - HBeglG 2006)

BR-Drs. 332/06

Wesentlicher Inhalt:

Das vom Deutschen Bundestag am 19. Mai 2006 beschlossene Gesetz hat eine umfassende Sanierung der Staatsfinanzen sowohl durch Erzielung von Mehreinnahmen als auch durch Einsparungen auf allen Staatsebenen zum Ziel. Im Wesentlichen sind folgende Maßnahmen vorgesehen:

- Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes und des Regelsatzes der Versicherungssteuer zum 1. Januar 2007 von 16 auf 19 Prozent.

- Senkung des Beitragssatzes zur Arbeitslosenversicherung zum 1. Januar 2007 um zwei Prozent auf 4,5 Prozent (Finanzierung durch einen Mehrwertsteuerpunkt).

- Begrenzung der Sozialversicherungsfreiheit von Sonntags-, Feiertags- und Nachtzuschlägen auf einen Grundlohn von 25 € pro Stunde.

- Anhebung des Pauschalbeitragssatzes für geringfügig Beschäftigte von 25 auf 30 Prozent.

- Herabsetzung der Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung für Arbeitslosengeld II-Bezieher.

- Halbierung des Weihnachtsgeldes für Beamte und Versorgungsempfänger für die Jahre 2006 bis 2010.

- Verminderung des allgemeinen Bundeszuschusses zur Rentenversicherung in 2006 um 170 Millionen € und ab 2007 um 340 Millionen €.

- Kürzung der Regionalisierungsmittel für die Länder.

- Erhöhung der Vorsteuerpauschale für forstwirtschaftliche Umsätze von 5 auf 5,5 Prozent sowie für alle anderen Umsätze von 9 auf 10,7 Prozent.

- Aufnahme einer Kompensationsregelung. Seit Mai 2006 sind die öffentlichen Spielbanken nicht mehr von der Umsatzsteuer befreit. Um eine Überbelastung der Spielbanken zu vermeiden, werden die Länder die Ihnen zustehende Spielbankabgabe senken müssen. Der Bund hatte in diesem Zusammenhang eine Kompensation der Einnahmeausfälle zugesagt. Die Kompensation beträgt für die Ländergesamtheit 60 Mio. € jährlich und stellt in dieser Höhe einen Kompromiss zwischen Bund und Ländern dar.

Behandlung in den Ausschüssen:

Der Verkehrsausschuss empfahl dem Bundesrat wegen der vorgesehenen Kürzung der Regionalisierungsmittel für den Schienenpersonennahverkehr die Anrufung des Vermittlungsausschusses. In der Begründung führte der Ausschuss aus, dass das Gesetz in der vorliegenden Fassung zu starken Einschnitten bei den bisherigen Bestellleistungen, bei notwendigen Investitionen und weiteren Modernisierungen führen würde. Die Folgen wären weder verkehrs- noch umweltpolitisch zu verantworten.

Der Finanzausschuss empfahl dem Bundesrat, für den Fall, dass der Vermittlungsausschuss aus einem anderen Grund einberufen werde, auch die Anhebung der Feuerschutzsteuer zu verlangen. Dies wurde unter anderem damit begründet, dass die den Ländern zustehende Feuerschutzsteuer in ihrem Aufkommen seit Jahren gegenüber der Versicherungssteuer, deren Aufkommen dem Bund zustehe, stagniere.

Behandlung im Plenum:

Der Bundesrat hat dem Gesetz bei Enthaltung Niedersachsens zugestimmt.

Zu TOP 20 Entwurf eines Steueränderungsgesetzes 2007

BR-Drs. 330/06

Wesentlicher Inhalt:

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung hat zur Zielrichtung, einen weiteren spürbaren Beitrag zur Stabilisierung des Steueraufkommens zu leisten, das Steuerrecht zu vereinfachen und das Streitpotenzial im Verwaltungsvollzug zu begrenzen.

Vorgesehen sind im Wesentlichen

- die Absenkung der Altersgrenze für die Gewährung von Kindergeld bzw. entsprechender Steuerfreibeträge bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres (bisher 27. Lebensjahr),

- die Beschränkung der Entfernungspauschale auf Fernpendler (0,30 € je

Entfernungskilometer erst ab dem 21. Entfernungskilometer),

- die Absenkung des Sparerfreibetrags von bisher 1.370 € auf 750 € für Ledige bzw. auf doppelt so hohe Beträge für zusammen veranlagte Ehepaare,

- die Erhöhung des Einkommensteuersatzes für Spitzenverdiener ab einem zu versteuernden Einkommen von 250.000 € für Ledige und 500.000 € für Ehepaare um drei Prozent von 42 auf 45 Prozent (so genannte Reichensteuer) mit einer bis zum In- Kraft-Treten der Unternehmensteuerreform befristeten Ausnahme für Gewinneinkünfte

- sowie die Beschränkung der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer auf die Fälle, in denen das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit bildet.

Behandlung in den Ausschüssen:

Der Finanzausschuss und der Verkehrsausschuss empfahlen dem Bundesrat eine Stellungnahme. Darin verwies der Finanzausschuss auf eine Entschließung des Bundesrates vom 7. April 2006, in der die steuertechnische Umsetzung des Abzugs von Kinderbetreuungskosten für nicht zweckmäßig und administrativ nicht handhabbar erachtet wurde. Die Bundesregierung solle deshalb aufgefordert werden, im Zuge des weiteren Gesetzgebungsverfahrens den Abzug der Kinderbetreuungskosten im Einkommensteuerrecht zweckmäßig und administrativ handhabbar auszugestalten.

Die vorgesehene Regelung zur Entfernungspauschale solle auf ihre Verfassungsfestigkeit insbesondere hinsichtlich der Kappungsgrenze von 20 Entfernungskilometern sowie der Einhaltung des steuerlichen Nettoprinzips überprüft werden.

Im Hinblick auf den vorgesehenen Zuschlag auf die Einkommensteuer und die Tarifbegrenzung bei Gewinneinkünften in den Fällen des Zusammentreffens mit tarifermäßigt zu besteuernden Einkommensteilen und in den Fällen des Progressionsvorbehalts sind Prüfbitten empfohlen worden. Dies gilt auch für die vorgesehene Ausdehnung der beschränkten Einkommensteuerpflicht der Einkünfte von Flugpersonal.

Weitere Anmerkungen bezogen sich auf die den Kreditinstituten erteilten Freistellungsaufträge, die an den neuen Sparerfreibetrag angepasst werden müssen, sowie im Umsatzsteuerrecht auf die Besteuerung der Personenbeförderung mit Bergbahnen.

Der Ausschuss für Familie und Senioren und der Wirtschaftsausschuss empfahlen dem Bundesrat, gegen den Gesetzentwurf keine Einwendungen zu erheben.

Behandlung im Plenum:

Der Bundesrat hat mit den Stimmen Niedersachsens beschlossen, zu dem Gesetzentwurf eine Stellungnahme abzugeben, die im Wesentlichen den Empfehlungen des Finanz- und Verkehrsausschuss folgt.

Keine Mehrheit hat die vom Verkehrsausschuss empfohlene umsatzsteuerliche Sonderregelung für Drahtseilbahnen und sonstige Aufstiegshilfen erhalten.

TOP 21 Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung

BR-Drs. 329/06

Wesentlicher Inhalt:

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf sollen die Vorgaben folgender EU-Richtlinien umgesetzt werden:

– Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft,

– Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf,

– Richtlinie 2002/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 zur Änderung der Richtlinie 76/207/EWG des Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen,

– Richtlinie 2004/113/EG des Rates vom 13. Dezember 2004 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen.

Der Gesetzentwurf geht über eine 1:1-Umsetzung der EU-Richtlinien hinaus, die die Benachteiligungsverbote im Arbeits- und Zivilrecht zum Gegenstand haben. Er orientiert sich weitgehend an dem früheren rot-grünen Gesetzentwurf.

Für beide Rechtsbereiche soll das Verbot für Private eingeführt werden, andere Private allein auf Grund bestimmter Merkmale im Rechtsverkehr unterschiedlich zu behandeln. Diese Diskriminierungsmerkmale sind Rasse, ethnische Herkunft, Geschlecht, Religion, Weltanschauung, Behinderung, Alter und sexuelle Identität. Obwohl nach den EU-Richtlinien Menschen in zivilrechtlichen Angelegenheiten nur wegen ihrer Rasse, ethnischen Herkunft und Geschlecht nicht diskriminiert werden dürfen, sollen nach dem AGG sämtlichen Merkmalen ein gleicher umfassender Schutzumfang eingeräumt werden. Die CDU/CSU hat ihrerseits durchgesetzt, dass Kirchen Andersgläubige nicht einstellen müssen.

Im Einzelnen ist auf folgende Regelung hinzuweisen:

Arbeitsrechtliche Vorschriften

- Eine unterschiedliche Behandlung ist zulässig, wenn diese wegen der Art der auszuübenden beruflichen Tätigkeit für deren Erfolg wesentlich ist, z.B. Künstlervertrag.

- Kirchen und Religionsgemeinschaften dürfen ihre Beschäftigten mit Rücksicht auf deren Religion und Weltanschauung auswählen.

- Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot in Beschäftigung und Beruf verstoßen, sind unwirksam (Schwierigkeit für Arbeitgeber bei Nichtigkeit der tarifrechtlichen Vereinbarung, zu deren Erfüllung er gesetzlich verpflichtet ist).

- Die Arbeitgeber sind verpflichtet, auch Diskriminierungen der Beschäftigten untereinander zu unterbinden. Ferner haben sie ihre Beschäftigten vor Diskriminierungen durch Dritte zu schützen.

- Für ein eigenes Klagerecht des Betriebsrates und der im Betrieb vertretenen Gewerkschaften bei groben Verstößen des Arbeitsgebers gegen das arbeitsrechtliche Benachteiligungsverbot ist eine Einwilligung des Betroffenen nicht erforderlich.

- Bei Verstoß gegen ein Diskriminierungsverbot steht dem Beschäftigten ein Anspruch auf Schadensersatz sowie bei einem Nichtvermögensschaden ein Anspruch auf eine angemessene Entschädigung zu. (Eine Haftung für immaterielle Schäden ohne Verschulden besteht aufgrund der EU-Richtlinien jedoch nur für das Merkmal Geschlecht, vgl. auch § 611a BGB).

- Die arbeitsrechtlichen Regelungen gelten entsprechend für alle Beamtinnen und Beamte sowie Richterinnen und Richter des Bundes und der Länder.

Zivilrechtsverkehr

- Im Zivilrechtsverkehr gilt der über die europarechtlichen Vorgaben hinaus gehende Diskriminierungsschutz für Massengeschäfte und privatrechtliche Versicherungen. Im Mietrecht können unterschiedliche Behandlungen ausnahmsweise zur Sicherstellung einer ausgewogenen Bewohnerstruktur zulässig sein.

- Das Benachteiligungsverbot findet im Familien- und Erbrecht sowie auf Schuldverhältnisse, bei denen ein Nähe- oder Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien von Bedeutung ist, keine Anwendung. Es ist unklar, ob private Mietverträge auch unter das umfassende Diskriminierungsverbot fallen.

- Bei Verstoß gegen ein Diskriminierungsverbot steht dem Benachteiligten ein Anspruch auf Beseitigung der Beeinträchtigung sowie ein Schadensersatzanspruch zu. Bei Nichtvermögensschäden steht ihm ein Anspruch auf eine angemessene Entschädigung zu, es sei denn, dass der Benachteiligende die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat (hier Unterschied zum Arbeitsrecht).

Für beide Rechtsbereiche gilt im Beweisrecht eine Beweiserleichterung:

Können Tatsachen glaubhaft gemacht werden, die eine Benachteiligung wegen einer Diskriminierung vermuten lassen, kehrt sich die Beweislast um. Die Beweislast dafür, dass die unterschiedliche Behandlung im Einzelfall gerechtfertigt war, trägt dann der unterschiedlich Behandelnde.

Verbände die sich für die Interessen Benachteiligter (Antidiskriminierungsverbände) einsetzen, sind die Rechtsberatung und die Vertretung vor Gericht in Verfahren ohne Anwaltszwang gestattet.

Ansprüche nach dem AGG sind jeweils innerhalb einer Frist von drei Monaten geltend zu machen.

Behandlung in den Ausschüssen:

Im Rechts- und Wirtschaftsausschuss sind eine Reihe von Anträgen gestellt worden, die das Ziel hatten, die Übererfüllung der EU-Richtlinien zurückzunehmen bzw. klarstellende und praktikablere Formulierungen durchzusetzen. Die Anträge hatten im Rechtsausschuss nicht alle eine Mehrheit gefunden, weil sich einige Länder mit Rücksicht auf einen angekündigten Plenarantrag Hamburgs enthalten haben (siehe dazu Behandlung im Plenum).

Im Ausschuss für Wohnungsbau erhielt ein niedersächsischer Antrag eine Mehrheit, durch den klarstellt werden soll, dass Vermietung von Wohnraum kein Schuldverhältnis im Sinne des AGG, und damit diese Verträge nicht dem Diskriminierungsverbot unterliegen dürfen.

Der Ausschuss für Frauen und Jugend und der Ausschuss für Arbeit und Sozialpolitik hatten gegen den Gesetzentwurf keine Einwendungen.

Der Finanzausschuss hatte von einer Empfehlung an den Bundesrat abgesehen.

Behandlung im Plenum:

Hamburg hat mit einem Plenarantrag eine Stellungnahme des Bundesrates zur Abstimmung gebracht. Niedersachsen, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen sind diesem Antrag beigetreten. Der Bundesrat hat diesen Antrag mit den Stimmen Niedersachsens angenommen.

Mit der Stellungnahme fordert der Bundesrat eine Änderung des Gesetzentwurfes in folgenden Punkten:

Das zivilrechtliche Benachteiligungsverbot sollte sich nur auf das europarechtlich Notwendige zum Schutz vor einer Diskriminierung wegen Rasse, ethnischer Herkunft und Geschlecht bei Massengeschäften beschränken.

Eine Erstreckung des umfassenden Diskriminierungsverbotes auf private Mietverträge sollte ausdrücklich ausgeschlossen werden.

Die Beweislastregelung sollte dahingehend neu gefasst werden, dass es zum Nachweis einer Diskriminierung nicht ausreicht, Tatsachen "glaubhaft" zu machen.

Das zusätzliche Klagerecht des Betriebsrats oder einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft sollte gestrichen werden.

Es sollte klargestellt werden, dass ausschließlich die Bestimmungen des Kündigungsschutzes gelten, wenn die Benachteiligung in einer Kündigung liegt (im GE steht "vorrangig").

Der Schadensersatz sollte auf Vermögensschäden begrenzt werden.

Die Möglichkeit der Unterstützung durch Antidiskriminierungsverbände "als Bevollmächtigte" sollte gestrichen werden.

Darüber hinaus bedauert der Bundesrat mit seiner Stellungnahme, dass das AGG durch die Übererfüllung der EU-Richtlinien unnötige, zu detaillierte und bürokratische Regelungen enthält. So müssten Unternehmen und öffentliche Dienststellen bestehende Beschwerdestellen beibehalten oder neu einrichten, die über jede behauptete Benachteiligung entscheiden müssen.

Eine neue Dokumentationspflicht der Arbeitgeber hinsichtlich sämtlicher Vorgänge, die möglicherweise diskriminierungsrelevant sein könnten, bedingten die Notwendigkeit, die Entscheidungskriterien für alle Phasen des Beschäftigungsverhältnisses niederzulegen. Die Auferlegung dieser bürokratischen und finanziellen Mehrbelastungen führten letztlich zu einem Standortnachteil.

Presseinfo

Artikel-Informationen

Vertretung des Landes Niedersachsen beim Bund
In den Ministergärten 10
10117 Berlin
Tel: 030/72629-1700
Fax: 030/72629-1702

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