814. Sitzung des Bundesrates am 23. September 2005
Aus niedersächsischer Sicht waren folgende Tagesordnungspunkte von besonderer Bedeutung:
TOP 6 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes (BR-Drs. 599/05)
TOP 9 Entwurf einer Verordnung zur Änderung der Fleischhygieneverordnung (BR-Drs. 650/05)
TOP 33 Mitteilung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften
"Die Kohäsionspolitik im Dienste von Wachstum und Beschäftigung: Strategische Leitlinien der Gemeinschaft für den Zeitraum 2007 bis 2013" (BR-Drs. 588/05)
TOP 40 Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Errichtung einer Agentur der Europäischen Union für die Grundrechte
Vorschlag für einen Beschluss des Rates zur Ermächtigung der Agentur der Europäischen Union für die Grundrechte, ihre Tätigkeiten in den Bereichen nach Titel VI des Vertrags über die Europäische Union auszuüben (BR-Drs. 518/05)
TOP 48 Vorschlag für einen Beschluss des Rates über strategische Leitlinien der Gemeinschaft für die Entwicklung des ländlichen Raumes (Programmplanungszeitraum 2007 bis 2013) (BR-Drs. 569/05)
TOP 72 Vierte Verordnung zur Änderung der Verpackungsverordnung (BR-Drs. 591/05)
TOP 6 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes (Drs. 599/05)
Wesentlicher Inhalt:
Der gemeinsame Gesetzentwurf der Länder Niedersachsen und Hessen zielt auf eine Entbürokratisierung des betrieblichen Datenschutzes. Der Entwurf hat das Ziel, durch die Erhöhung der Mindestzahl der mit der personenbezogenen Datenverarbeitung beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von vier auf neunzehn für viele Kleinunternehmer eine Melde- und Bestellpflicht erst gar nicht entstehen zu lassen. Künftig soll erst ab einer Mindestzahl von zwanzig mit der Datenverarbeitung beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern die Bestellung eines betrieblichen Datenschutzbeauftragten vorgeschrieben bzw. eine Meldepflicht der automatisierten Verfahren erforderlich werden.
Behandlung in den Ausschüssen:
Der federführende Innenausschuss empfahl den Gesetzentwurf dahingehend zu ergänzen, dass die Bestellung des Datenschutzbeauftragten der Schriftform bedürfe. Die übrigen beteiligten Ausschüsse empfahlen die unveränderte Einbringung.
Behandlung im Plenum:
Mit den Stimmen Niedersachsens hat der Bundesrat den Gesetzentwurf unverändert beim Bundestag eingebracht
TOP 9 Entwurf einer Verordnung zur Änderung der Fleischhygieneverordnung (BR-Drs. 650/05)
Wesentlicher Inhalt:
Das Fleischhygienegesetz (FlHG) und die Fleischhygieneverordnung, zuletzt geändert durch Gesetz resp. Verordnung vom 4. November 2004 treffen eine Regelung, nach der die vorgeschriebenen Trichinenproben bei Wildschweinen auch von den Jagdausübungs-berechtigten entnommen werden können. Diese Regelung sollte zu einer Verwaltungsvereinfachung führen. Aufgrund der Vorgaben der Verordnung zum Wildursprungsschein konnte von dieser Vereinfachung jedoch nur Gebrauch gemacht werden, wenn der Jagdausübungsberechtigte selbst auch der Erleger des Tieres war. Insofern war die gewollte Vereinfachung nicht durchgängig wirksam, es sei denn, man hätte jeden Jagdausübungsberechtigten geschult und als Probenehmer amtlich anerkannt, was wiederum zu einem erheblichen Verwaltungsaufwand geführt hätte. Ziel der von Baden-Württemberg und Niedersachsen in den Bundesrat eingebrachten Initiative war, dass der Jagdausübungsberechtigte auch die Trichinenproben von Schwarzwild, das nicht von ihm selbst erlegt worden ist, entnehmen kann – ohne amtliche Anerkennung.
Behandlung in den Ausschüssen
Der Agrarausschuss folgte dem Antrag der o.g. Länder und fasste eine Entschließung. Somit wurden nicht die zuvor auf Länderebene ausgearbeiteten konkreten Änderungen in der Fleischhygiene-Verordnung behandelt, sondern eine Entschließung gefasst, in der die Bundesregierung aufgefordert wird, eine Verordnung mit entsprechendem Inhalt auf der Grundlage des neuen Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches zu erlassen, das in Kürze In-Kraft-Treten wird. Diese Vorgehensweise ergab sich aus der Feststellung von Bund und Ländern, dass beide Seiten hinsichtlich des Regelungsbedarfes übereinstimmen, die Änderungen jedoch in der aktuellen Rechtsgrundlage vorgenommen werden müssen.
Der Gesundheitsausschuss schloss sich der Stellungnahme des Agrarausschusses an.
Behandlung im Plenum:
Der Bundesrat hat mit den Stimmen Niedersachsens die Entschließung gefasst.
TOP 33 Mitteilung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften
"Die Kohäsionspolitik im Dienste von Wachstum und Beschäftigung: Strategische Leitlinien der Gemeinschaft für den Zeitraum 2007 bis 2013" (BR-Drs. 588/05)
Wesentlicher Inhalt:
Die Leitlinien geben einen Rahmen für neue, vom Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE), dem Europäischen Sozialfonds (ESF) und dem Kohäsionsfonds zu unterstützende Programme vor. Die EU-Kommission setzt darin die Prioritäten für die zukünftige wirtschaftliche, soziale und territoriale Kohäsionspolitik der EU:
- Stärkung der Anziehungskraft Europas und seiner Regionen für Investoren und Arbeitskräfte durch Ausbau und Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur, Steigerung der Synergien zwischen Umweltschutz und Wachstum, Hinwendung zu erneuerbaren und alternativen Energiequellen,
- Förderung von Wissen und Innovation für Wachstum durch mehr und gezieltere Investitionen in Forschung und technologische Entwicklung durch Erleichterung der Innovationen und durch Forderung der unternehmerischen Initiative, Förderung der Informationsgesellschaft für alle und besseren Zugang zu Finanzmitteln,
- Schaffung von mehr und besseren Arbeitsplätzen zur Erhöhung der Erwerbsquote und Modernisierung der Sozialschutzsysteme, Verbesserung der Anpassungsfähigkeit von Arbeitskräften und Unternehmen, Steigerung der Flexibilität der Arbeitsmärkte, Förderung von Investitionen in Humankapital durch Verbesserung von Bildung und Qualifizierung sowie Sicherstellung des Schutzes der Gesundheit der Arbeitskräfte.
Behandlung in den Ausschüssen:
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union, der Ausschuss für Arbeit und Sozialpolitik und der Wirtschaftsausschuss empfahlen, zu den strategischen Leitlinien der Kommission eine umfangreiche kritische Stellungnahme abzugeben. Sie halten aus strukturpolitischer Sicht das Instrument der Leitlinien für entbehrlich. Für die Länder sei es von großer Bedeutung, eine hohe Flexibilität für den Einsatz der europäischen Strukturfonds in der Förderperiode 2007 bis 2013 zu erhalten, die es ermöglicht, Wachstum und Beschäftigung entsprechend der spezifischen Ausgangssituation und den regionalspezifischen Gegebenheiten zu unterstützen. Die Vorgaben der EFRE- und ESF-Verordnungen dürften deshalb nicht durch die - später erlassenen - strategischen Leitlinien ergänzt oder eingeschränkt werden. Sie seien zu umfangreich und zu detailliert und legten den Mitgliedstaaten u.a. Verpflichtungen auf, die originär Aufgabe der Programmentwicklung seien. Die Mitgliedstaaten müssten aber selbst entscheiden können, welches für sie die beste Strategie und die optimalen Instrumente sind.
Neben dieser allgemeinen Kritik haben die Ausschüsse eine Vielzahl weiterer Hinweise und kritischer Anmerkungen zu den speziellen Leitlinien für die Fondsziele empfohlen.
Nach Auffassung des Agrarausschusses, des Umweltausschusses und des Ausschusses für Städtebau, Wohnungswesen und Raumordnung sollen die Leitlinien u.a. Ausführungen zur Förderung von Wachstums- und Beschäftigungsdynamik von KMU beinhalten und die mögliche Förderung von Infrastrukturen zur Umsetzung von NATURA 2000 berücksichtigen.
Der Ausschuss für Kulturfragen und der Verkehrsausschuss haben Kenntnis genommen.
Behandlung im Plenum:
Der Bundesrat hat mit den Stimmen Niedersachsens kritisch Stellung genommen.
TOP 40 Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Errichtung einer Agentur der Europäischen Union für die Grundrechte
Vorschlag für einen Beschluss des Rates zur Ermächtigung der Agentur der Europäischen Union für die Grundrechte, ihre Tätigkeiten in den Bereichen nach Titel VI des Vertrags über die Europäische Union auszuüben (BR-Drs. 518/05)
Wesentlicher Inhalt:
Mit dem Verordnungsvorschlag soll die im Jahr 1998 eingerichtete Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit (EUMC) in Wien in eine Agentur für Menschenrechte ausgebaut werden. Ziel der Agentur ist es, den Organen, Einrichtungen, Ämtern und Agenturen der Gemeinschaft und deren Mitgliedstaaten bei der Durchführung des Gemeinschaftsrechts in Bezug auf die Grundrechte Unterstützung zu gewähren und ihnen Fachkenntnisse bereitzustellen. Das soll ihnen die Achtung der Grundrechte erleichtern, wenn sie in ihrem jeweiligen Zuständigkeitsbereich Maßnahmen einleiten oder Aktionen festlegen. Die Agentur soll prüfen, ob in der Union, in den Mitgliedstaaten, in den Bewerberländern und potentiellen Bewerberländern die Grundrechte gewahrt werden. Außerdem kann die Kommission die Agentur ersuchen, Informationen und Analysen über Drittländer vorzulegen, mit denen die Gemeinschaft Assoziierungsabkommen geschlossen hat. Die thematischen Tätigkeitsbereiche werden in einem Mehrjahresprogramm angegeben, das von den Gemeinschaftsorganen festgelegt wird.
Behandlung in den Ausschüssen:
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union und der Ausschuss für Innere Angelegenheiten empfahlen dem Bundesrat die Errichtung europäischer Agenturen kritisch zu hinterfragen, insbesondere die Erforderlichkeit einer neuen Agentur in Frage zu stellen. Eine begrenzte Gemeinschaftszuständigkeit sei im Bereich der Grundfreiheiten gegeben und als Rechtsgrundlage komme allenfalls die Beobachtung der Grundrechtssituation im Zusammenhang mit dem Vollzug und der Umsetzung von Gemeinschaftspolitik und Gemeinschaftsrecht in Betracht. Der Agentur dürfe keine "quasi-gerichtliche Zuständigkeit" zukommen. Das wäre mit der bereits bestehenden, sehr gut ausgebauten Grundrechtsschutz-Architektur nicht zu vereinbaren.
Behandlung im Plenum:
Der Bundesrat ist mit den Stimmen Niedersachsens der Ausschussempfehlung nicht gefolgt, sondern hat einem Antrag der Länder Bayern und Hessen zugestimmt. Der Antrag ist in weiten Teilen deckungsgleich mit den Ausschussempfehlungen, fordert die Bundesregierung jedoch auf, die Vorschläge der Kommission zur Errichtung der EU-Grundrechteagentur in der vorliegenden Form abzulehnen.
TOP 48 Vorschlag für einen Beschluss des Rates über strategische Leitlinien der Gemeinschaft für die Entwicklung des ländlichen Raumes (Programmplanungszeitraum 2007 bis 2013) (BR-Drs. 569/05)
Wesentlicher Inhalt:
In der neuen Verordnung über die Entwicklung des ländlichen Raumes (ELER) werden Zweck und Anwendungsbereiche der Förderung aus dem europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raumes festgelegt. Dazu erarbeitet die Kommission strategische Leitlinien. Auf der Grundlage des zu erwartenden Vorschlages sollen die Mitgliedstaaten dann bis Ende 2005 nationale Strategiepläne ausarbeiten.
Schwerpunkte des Kommissionsvorschlages sind:
• Maßnahmen, die auf die Wettbewerbsfähigkeit zielen; d.h. Förderung von Innovation und Wissenstransfer zugunsten der Agrar-, Lebensmittel- und Forstwirtschaft
• Maßnahmen zum Schutz und zur Verbesserung der Umweltsituation, d.h. Schutz natürlicher Ressourcen und Erhaltung von Bewirtschaftungssystemen mit Naturschutzwert
• Maßnahmen zugunsten der Lebensqualität und der Diversifizierung der Wirtschaft im ländlichen Raum
Behandlung in den Ausschüssen
Der Agrarausschuss fasste eine Stellungnahme, die die Einhaltung der Entscheidungsspielräume der Mitgliedstaaten anmahnt und die Prämisse des "höchsten Mehrwertes" durch die Einbringung multifunktionaler Elemente erweitert, d.h., dass regionale und kulturelle Werte ebenfalls erhaltens- und förderungswürdig sein sollen. Mit Nachdruck wendet sich der Agrarausschuss gegen die Anwendung der OECD-Definition für ländliche Gebiete, die allein die Bevölkerungsdichte für diese Definition heranzieht. Ländliche Gebiete mit hoher Bevölkerungsdichte wie z.B. das Alte Land könnten so aus der Förderkulisse herausfallen. Die Stellungnahme hebt auch ab auf das Erfordernis eines landwirtschaftlichen Bezuges der Unternehmen, die Förderungen in Anspruch nehmen dürfen. Schließlich betont der Agrarausschuss die Bedeutung der einzelbetrieblichen Förderung, die er als gleichrangig zu Maßnahmen des Zuganges zu Forschung und Entwicklung, zu Informations- und Kommunikationssystemen oder zur Integration in die Lebensmittelkette ansieht.
Der Umweltausschuss beschloss mit der Stimme Niedersachsens weitere Ergänzungen. Erwähnenswert ist hier die Forderung, das auch Maßnahmen zum Hochwasserschutz und zum Schutz oberirdischer Gewässer als prioritäre Maßnahmen aufgenommen werden sollen. Der Wirtschaftsausschuss beschloss Kenntnisnahme.
Behandlung im Plenum:
Der Bundesrat hat mit den Stimmen Niedersachsens Stellung genommen.
TOP 72 Vierte Verordnung zur Änderung der Verpackungsverordnung (BR-Drs. 591/05)
Wesentlicher Inhalt:
Ziel der vorliegenden Verordnung ist die Anpassung an die neuen Mindestzielvorgaben und Begriffsbestimmungen der geänderten Verpackungsrichtlinie 2004/12/EG.
Danach sind bis zum 31. Dezember 2008 mindestens 60 Gewichtsprozent der Verpackungsabfälle zu verwerten oder in Abfallverbrennungsanlagen mit Energierückgewinnung zu verbrennen. Dabei sollen mindestens 55 und höchstens 80 Gewichtsprozent der Verpackungsabfälle stofflich verwertet werden.
In der Änderungsverordnung wird die schon bisher in Deutschland geltende Mindestverwertungsquote von 65 % für die Verpackungen insgesamt (Transport-verpackungen, Umverpackungen und Verkaufsverpackungen) beibehalten und nicht auf die niedrigere Vorgabe der Richtlinie von 60 % abgesenkt.
Behandlung in den Ausschüssen:
Der federführende Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit und der Wirtschaftsausschuss empfahlen dem Bundesrat, der Verordnung nach Maßgabe von fünf Änderungen zuzustimmen. Der Ausschuss für Innere Angelegenheiten empfahl dem Bundesrat, der Verordnung unverändert zuzustimmen.
Ferner empfahl der Umweltausschuss eine Entschließung zu fassen. Auf Antrag Niedersachsens sollte in die Verordnung die von der Richtlinie eröffnete Möglichkeit, Verpackungsabfälle in Abfallverbrennungsanlagen mit Energierückgewinnung zu verbrennen, aufgenommen werden. Ferner sollte klargestellt werden, dass Blumentöpfe künftig ausnahmslos nicht mehr dem Verpackungsbegriff unterfallen.
Behandlung im Plenum:
Der Bundesrat hat mit den Stimmen Niedersachsens der Verordnung nach Maßgabe zugestimmt und die Entschließung gefasst.