Niedersachsen klar Logo

Wirtschaft, Energie, Handel und Transformation

Die EU konnte sich in den letzten Jahrzehnten als eigenständiger und wichtiger Player in der Weltwirtschaft etablieren. Vielen Mitgliedstaaten ist mittlerweile bewusst, dass der Fortgang wesentlicher Prozesse in Zusammenarbeit und Konkurrenz mit anderen Weltregionen ausschließlich auf EU-Ebene erfolgversprechend ist. Zugleich sieht sich die EU vor die Situation gestellt, dass sie in anderen Weltregionen nicht (mehr) als einziger oder wichtigster Partner angesehen wird und ihre eigene, insbesondere industrielle Basis sichern muss.

Wir in Niedersachsen erkennen die von der EU festgestellten Handlungsbedarfe an und unterstützen sie unter Berücksichtigung nachfolgender Erwägungen:

  • Wir müssen die nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit deutlich steigern. In vielen Industriebereichen ist die EU als Produktionsstandort unverzichtbar. Dazu zählen zum Beispiel Transformations- und Zukunftstechnologien, die Sicherheits- und Verteidigungsindustrie sowie die Arzneimittelproduktion. Neben der Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit gilt es auch, einseitige Abhängigkeiten in strategischen Sektoren zu reduzieren (Netto- Null-Technologien, KI, Quantentechnologien, Luft- und Raumfahrt, Biotechnologien, Robotik, Mobilität, Chemikalien).

  • Wir fordern einen widerstandsfähigen, pragmatischen und nachhaltigen Agrar-, Forst- und Fischereisektor in Europa. Bausteine hierfür sind: das Minimieren des Verwaltungsaufwands für Personen, die in Landwirtschaft und Fischerei tätig sind, das Stärken der Position der Landwirtinnen und Landwirte in der Nahrungsmittelversorgungskette, insbesondere faire Einkommen zu gewährleisten, und das Sicherstellen eines regelbasierten und fairen Wettbewerbs - weltweit sowie im Binnenmarkt.

  • Wir müssen den Gesundheits- und Pharmasektor fördern, auch mit einem ehrgeizigen Rechtsakt über kritische Arzneimittel, um unsere Abhängigkeiten anzugehen und unsere Souveränität, Widerstandsfähigkeit und Fähigkeit zur Innovation und Produktion in der EU zu stärken. Auch sozialpolitisch unterstützen wir eine umfassendere europäische Kooperation bei der Arzneimittelsicherheit und -versorgung. Der Zugang zu medizinischer Versorgung ist zudem zum Stärken des sozialen und gesellschaftlichen Zusammenhalts essenziell.

  • Wir befürworten den Aufbau des European Health Data Space (EHDS). Dieser hat das Potenzial, europaweite Standards für das Nutzen von Gesundheitsdaten zu etablieren und somit die Effizienz der Versorgung in Europa und die Innovationskraft unseres Standortes nachhaltig zu stärken.


Zu oft schränken administrativ-technische Festlegungen ein, verkomplizieren und verhindern bisweilen sogar, dass wünschenswerte Initiativen der EU umgesetzt werden. Wir begrüßen, dass Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen dies in ihrer Bewerbungsrede vor dem Europäischen Parlament am 18. Juli 2024 als wichtigen Schwerpunkt ihrer zweiten Amtszeit erkannt hat. Das häufig zugesagte Vereinfachen von Prozessen muss endlich erfolgen. Hierin zeigt sich nicht zuletzt, die Handlungsfähigkeit der EU.

Wir in Niedersachsen erwarten

  • das Zusammenführen von Berichtspflichten im Sinne des „Once-Only-Prinzips" zur administrativen Verschlankung, verbunden mit dem Umsetzen der angestrebten 25-prozentigen Kürzung von Berichtspflichten.
  • den zügigen Aufbau digitaler Werkzeuge, um Formalien einfacher abzuwickeln. Dafür bedarf es durchgängig digitaler Dokumentations- und Prüfprozesse. Es braucht keine zusätzlichen Nachweispflichten, zumindest aber eine vereinfachte Nachweisführung und eine mögliche Abrechnung über Pauschalen.
  • die deutliche Erweiterung vereinfachter Nachweispflichten für KMU bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung, insbesondere bei kurzen Wertschöpfungsketten, die sich lokal und regional zusammensetzen. ein systematisches Beteiligen des Handwerks beim Ausgestalten neuer Standards.
  • ein Beschleunigen von Planungs- und Genehmigungsverfahren, um die Transformationsziele der Wirtschaft erreichen zu können; unter anderem fordern wir das Ausweiten der materiellen Präklusion.
  • ein längerfristiges Lockern der Beihilferegeln, damit staatliche Stützungsmaßnahmen greifen können sowie eine stärkere Berücksichtigung der Ziele der Struktur- und Investitionsfonds im EU-Beihilferecht. Dazu zählen klimaneutrale und resiliente Wertschöpfung, Gute Arbeit sowie Beschäftigungssicherung und -entwicklung. Das Beihilferecht muss verbessert werden, um den Mitgliedstaaten eine proaktive Wirtschafts-, Struktur- und Regionalpolitik vor dem Hintergrund der Transformationsziele zu ermöglichen.
  • ein Optimieren des Potenzials von IPCEIs, um Deep Tech und disruptive Innovation voranzutreiben. Dafür gilt es, KMU aus Handel, Industrie und Handwerk stärker einzubeziehen. Wir unterstützen uneingeschränkt, ein Gemeinsames Europäisches Forum (JEF) für IPCEI zu schaffen.
  • eine gut kalibrierte öffentliche Auftragsvergabe, um ökologische Leitmärkte zu fördern und die Widerstandsfähigkeit Europas zu stärken. Das sollte das Überarbeiten der Richtlinien über das öffentliche Auftragswesen aus dem Jahr 2014 umfassen, um sie zu vereinfachen, zu straffen und insbesondere Innovations-, Umwelt- und Resilienzaspekte verstärkt zu berücksichtigen. Dazu gehört auch eine klare verbindliche Tariftreueregelung.


Nicht alle Entwicklungen der kommenden Jahre sind prognostizierbar; andere Aspekte erscheinen als zwingend zu berücksichtigen. Somit gilt es, mit Flexibilität und gleichermaßen mit Berechenbarkeit für die Wirtschaft der Zukunft tätig zu werden.

Ergänzend zu den bereits aufgeführten grundsätzlichen und technischen Punkten sollte aktuell Folgendes berücksichtigt werden:

  • Zentral für den Erhalt und das Steigern nachhaltiger Wettbewerbsfähigkeit ist eine preiswerte und zuverlässige Energieversorgung.

  • Die EU und ihre Mitgliedstaaten benötigen zum Stärken der Energieunabhängigkeit einen zukunftsfesten Energie-Rechtsrahmen, der u. a. die grenzüberschreitende Vernetzung der EU-Energieversorgung anstrebt.

  • Auch wenn die Reform des Strommarkt-Designs Fortschritte für die verlässliche Preisgestaltung mit sich bringt, gilt es nach wie vor für die Übergangszeit einen Transformationsstrompreis einzurichten. Das soll die Wettbewerbsfähigkeit wichtiger Industrien und Betriebe erhalten.

  • Zudem ist es entscheidend, den Ausbau von Erneuerbaren Energien und der Wasserstoffwirtschaft weiterzuentwickeln und den beschlossenen EU-Rechtsrahmen im Dialog mit den Beteiligten umzusetzen.

  • Zweifelsohne wird ein Großteil des Bedarfes an grünem Wasserstoff importiert werden. Daher müssen wir partnerschaftliche Abkommen mit möglichen Lieferanten schließen und auch deren wirtschaftliche und energiepolitische Entwicklung mit in den Blick nehmen.

  • Zusätzliche Erzeugungskapazitäten für grünen Wasserstoff und vor allem eine sichere und ausreichende Leitungsinfrastruktur sind substanziell für die industrielle Wettbewerbsfähigkeit der Zukunft. Niedersachsen kann hier eine bedeutende Rolle spielen und setzt auf eine konstruktive Kooperation mit der EU.

  • Der Aufbau KI-basierter Reallabore muss mit gezielten Fördermaßnahmen begleitet werden.


Die EU steht für Weltoffenheit und gegen Protektionismus. Das sollte unverändert auch in ihrer Handelspolitik zum Ausdruck kommen und die Attraktivität des Partners EU steigern:

  • Wir fordern eine ehrgeizige, robuste, offene und nachhaltige EU-Handelspolitik, die es ermöglicht, mit fairen Handelsabkommen die Interessen der EU, Diversifizierung, Resilienz, Arbeits- und Sozialstandards sowie Nachhaltigkeit zu fördern. Um auf globaler Ebene faire Wettbewerbsbedingungen zu gewährleisten, sollte der Werkzeugkasten der EU konsequent genutzt werden, um unlauteren oder missbräuchlichen Handels- oder Wettbewerbspraktiken wirksam zu begegnen.

  • Die EU muss eine Handelspolitik verfolgen, die durch transparente Entscheidungsprozesse gekennzeichnet ist und die Ziele einer sozial und ökologisch nachhaltigen Entwicklung vorantreibt.

  • Faire Handelspartnerschaften sind in der fragmentierten globalisierten Welt zentral für unsere Zukunftsfähigkeit und die wirtschaftliche Entwicklung im globalen Süden. Durch faire Handelspartnerschaften können Rohstofflieferungen für die EU ermöglicht und zugleich Wertschöpfung unter sicheren Arbeitsund Umweltstandards in unseren Partnerländern entwickelt werden.

  • Hiermit verbunden ist der Ausbau einer „Green Diplomacy“. Dazu zählt u. a. das Erschließen grüner Zukunftsmärkte und das Vorantreiben von Klimapartnerschaften. Das weltweite Engagement, um das Pariser Klimaschutzabkommen und den Globalen Biodiversitätsrahmen umzusetzen, muss auch in den Handelsabkommen zum Ausdruck kommen.

  • In Anbetracht der sich verschärfenden Handelskonflikte könnte die Kommission insbesondere das Thema „einheitliche Kriterien für verpflichtende Exportkontrollen aller Mitgliedsstaaten“ mit mehr Entschlossenheit vorantreiben und die Reform der Kontrolle ausländischer Direktinvestitionen in der EU angehen.

zum Seitenanfang
zur mobilen Ansicht wechseln