Rede von Ministerin Birgit Honé Tagesordnungspunkt 21 b „Aktuelle Stunde“: „Niedersachsen ist im Ländervergleich Vorreiter“
Rede von Ministerin Birgit Honé zum Tagesordnungspunkt 21 b „Aktuelle Stunde“:
„Der Brexit und die Folgen für Niedersachsen – Landesregierung ohne Plan?“ –
Antrag der FDP-Fraktion, Drs. 18/1896, Niedersächsischer Landtag, Donnerstag, 25.10.2018
(Es gilt das gesprochene Wort)
Anrede,
Sie alle wissen, dass der Ausgang der laufenden Brexit-Verhandlungen immer noch ungewiss ist. Insbesondere auf britischer Seite ist derzeit noch viel Bewegung im Spiel. Ich möchte nur an die Demonstration in London vom vergangenen Wochenende erinnern, bei der mehr als 700.000 Menschen für einen Verbleib des Vereinigten Königreichs in der Union auf die Straße gegangen sind.
Was am Ende des laufenden Prozesses herauskommen wird, ist heute leider noch offen. Nach heutigem Stand steht lediglich fest, dass das Vereinigte Königreich am 30. März 2019 nicht mehr Mitglied der Europäischen Union sein wird. Ob dieser Austritt geregelt oder ungeregelt stattfinden wird, kann heute niemand voraussehen. Deshalb müssen wir auch einen harten Brexit ins Kalkül ziehen.
Was hat die Landesregierung seit dem britischen Referendum 2016 unternommen?
Besonders wichtig war zunächst die Koordinierung mit der Bundesregierung. Schließlich haben vor allem die Europäische Union und der Bund die Regelungskompetenz für viele der vom Brexit betroffenen Sachbereiche. Aus diesem Grund haben wir während des niedersächsischen Vorsitzes der Europaministerkonferenz sowie nach Vorgesprächen im Auswärtigen Amt eine „Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft Brexit“ ins Leben gerufen. Dort werden die Vorkehrungen für den Brexit mit dem Bund und zwischen den Ländern abgestimmt – ein sehr planvolles Vorgehen, wie ich finde.
Auf Landesebene haben wir sehr frühzeitig beide möglichen Szenarien – den geregelten und den ungeregelten Brexit – in unsere Überlegungen einbezogen und sind dabei, für beide Alternativen parallel zu planen. Fest steht, dass das Vereinigte Königreich am 30. März 2019 ein Drittstaat sein wird.
Für den geregelten Brexit haben wir das gesamte Landesrecht einem Normenscreening unterzogen. Als erstes Bundesland überhaupt haben wir diese Prüfung bereits vor zwei Monaten abgeschlossen. Das Ergebnis lautet: Ja, zur Herstellung ausreichender Rechtssicherheit und Rechtsklarheit brauchen wir ein Übergangsgesetz. Mein Haus hat einen Gesetzentwurf für ein Niedersächsisches Brexit-Übergangsgesetz erarbeitet, der Sie in Kürze erreichen wird. Damit wird geregelt, dass das Vereinigte Königreich bis zum Abschluss der Übergangsperiode Ende 2020 wie ein Mitgliedstaat der Europäischen Union behandelt wird. So verfahren im Übrigen auch Brüssel, der Bund und die anderen Bundesländer.
Ebenso gewissenhaft bereiten wir uns auf den Fall eines ungeregelten Brexit vor. Unsere Ressortabfrage ist gestartet und läuft noch bis Mitte November. Abgefragt werden kurzfristig erforderliche Maßnahmen, um in der ersten Zeit nach dem 29. März 2019 praktikable Wege aufzuzeigen, wie grenzüberschreitende Sachverhalte zwischen dem Vereinigten Königreich und Niedersachsen geregelt und unbillige Härten abgefedert werden sollen.
Lassen Sie mich weitere Maßnahmen stichpunktartig nennen:
· Mein Haus hat einen „Runden Tisch Brexit“ initiiert, an dem wir die niedersächsische Wirtschaft, Gewerkschaften und weitere wichtige Akteure zusammenbringen. Ziel ist es, sich über aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen auszutauschen.
· Die Ämter für regionale Landesentwicklung haben, ebenso wie das Europäische Informationszentrum, Brexit-Veranstaltungen in den Regionen durchgeführt. Weitere sind in Planung.
· Mein Haus hat bereits vor vier Wochen für die Bürgerinnen und Bürger eine Brexit-Informationsseite ins Internet gestellt, auf der umfangreich über das Thema informiert wird.
· In Brüssel nutze ich jede Möglichkeit, um die niedersächsischen Brexit-Interessen zu vertreten. So habe ich vor zwei Wochen einen Brief mit den zentralen Anliegen Niedersachsens an den EU-Chefunterhändler Michel Barnier übermittelt.
· Niedersachsen ist eines von zwei Bundesländern, das mit einem eigenen Beauftragten bei der Brexit-Ratsarbeitsgruppe vertreten ist.
· Die Landesvertretung in Brüssel veranstaltet etliche Brexit-Fachgespräche mit europäischen Unternehmensverbänden, Gewerkschaftsverbänden sowie mit Institutionen der Wissenschaft. Zuletzt habe ich ein solches Gespräch am 10. Oktober geführt.
· Darüber hinaus haben MB und MW jeweils eine zuständige Person benannt, die als Ansprechpartner fungiert und Rückfragen beantwortet.
Niedersachsen ist im Ländervergleich Vorreiter, was die Vorbereitung auf den Austritt des Vereinigten Königreiches aus der Union betrifft. Wir tun, was unter den gegebenen Voraussetzungen möglich ist. Diese Landesregierung agiert sorgfältig, gewissenhaft und planvoll. Das Land ist bestens gerüstet und wir werden auf die verschiedenen Szenarien vorbereitet sein. Für mich und mein Haus haben die Arbeiten rund um den Brexit oberste Priorität.
Eines möchte ich abschließend betonen: Der Brexit, auch wenn er geregelt ablaufen sollte, kennt keine Gewinner, nur Verlierer. Er wird Millionen Menschen in ihrem Leben beeinflussen – sehr viele davon negativ. Dessen müssen sich die verantwortlichen Politikerinnen und Politiker stets bewusst sein.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
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erstellt am:
25.10.2018